Letzte Zuckungen im Duisburger Sarg

Tot oder lebendig? In Duisburg wird nach dem 0:0 gegen Hannover weiter über die Lebenskräfte des MSV debattiert. Trainer Jürgen Kohler macht Vitalzeichen aus und glaubt noch an den Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga

DUISBURG taz ■ Jürgen Kohler ist zwar kein Arzt, aber er fühlt noch den Pulsschlag seiner Mannschaft. „Das Team ist absolut intakt, die Mannschaft lebt“, sagte der Ex-Nationalspieler am Samstagabend mehrfach und verquickte diese Halbsätze in seiner Analyse zu einer Endlosschleife. Als Trainer des abstiegsbedrohten MSV Duisburg musste er das sagen – gerade nach dem mühsam errungenen 0:0 gegen Hannover 96. Vor einer Woche hatte sein Kapitän und Keeper Georg Koch noch das Gegenteil behauptet. Dass die Mannschaft „leblos“ sei, kritisierte der Führungsspieler nach der 0:3-Niederlage in Nürnberg und wurde dafür von Kohler mit einer Geldstrafe abgemahnt.

Wer Koch kennt, ahnt, dass eine solche öffentliche Abstrafung nicht spurlos am zur Explosivität neigenden Emotionsmenschen vorbei geht. Ganz im Sinne des Vereins präsentierte sich der Torwart nach dem 0:0 aber deutlich zahmer. „Die Geldstrafe ist abgehakt“, sagte Koch, der Kohlers Rückhalt zu spüren glaubt und die „Leblos-Analyse“ ohnehin nur auf das Nürnberg-Match bezog. Tatsächlich präsentierten sich die Duisburger gegen Hannover von ihrer engagierteren Seite und kämpften sogar um verlorengeglaubte Bälle. Weil vieles aber nur Stückwerk blieb und die Konkurrenz aus Mainz und Nürnberg zeitgleich dreifach punktete, wurden die Hoffnungen auf den Klassenverbleib nur zu einem Bruchteil genährt. „Wir haben uns zwar verbessert, der eine Punkt ist aber viel zu wenig“, meinte Abwehrspieler Alexander Meyer und fügte noch an: „Solange rechnerisch nichts entschieden ist, kämpfen wir weiter.“

Wer die Partien des MSV verfolgt, gewinnt eher den Eindruck, dass es sich um die letzten Zuckungen des Aufsteigers vor dem Abstieg handelt. Engagiert, aber spielerisch deutlich limitiert, hielt man Hannover zumindest 25 Minuten unter Kontrolle, ohne wirklich gefährlich zu sein. Mehr war von der Duisburger Rumpftruppe, die Kohler als „letztes Aufgebot“ bezeichnete, nicht zu erwarten. Mit Dirk Lottner (Muskelfaserriss), Klemen Lavric, Necat Aygün (Grippe), Mihai Tararache und Marino Biliskov (gesperrt) fehlten gleich fünf Spieler, die in der Rückrunde meist zu den Leistungsträgern zählten. Die größte Chance, doch noch den Siegtreffer zu erzielen, vergab Peter van Houdt in der 86. Minute, als freistehend am langen Eck vorbeischoss.

Die nächsten Teams, die nach Duisburg kommen, heißen – in eben dieser Reihenfolge – Bayern München, Schalke 04, Hamburger SV und Werder Bremen. Abgesehen von Jürgen Kohler und seinem Vorsitzenden Walter Hellmich glaubt rund um die MSV-Arena niemand an eine Erfolgsserie daheim. „Wir müssen auswärts gewinnen, eine Alternative dazu gibt es nicht“, sagte Aziz Ahanfouf, Stürmer der auswärtsschwächsten Liga-Elf.

„Alles Unsinn, wir haben noch neun Spiele und kommen da unten raus. Im Team sind Super-Typen, die mit Leidenschaft alles geben“, hält Hellmich den Pessimisten entgegen. In mehreren Einzelgesprächen, die er zwischen seinen vielfachen Geschäftsterminen geführt habe, will der Bauunternehmer den unerschütterlichen Elan seiner Angestellten gespürt haben.

Kohler freut sich, wenn er so was hört. „Wir werden unsere Ziele erreichen“, kündigt er entschlossen an. Schon nächste Woche beim Spiel in Frankfurt könnten einige Spieler zurückkehren. Widersprechen mochte ihm keiner – und Georg Koch schon mal gar nicht. Kritiker halten Kohler vor, dass er durch die öffentliche Abstrafung seines Kapitäns, die erst zwei Tage vor dem Hannover-Match vollzogen wurde und viel Unruhe brachte, einen Nagel in den MSV-Sarg geschlagen habe. Ein bisschen zucken die Duisburger aber noch.

ROLAND LEROI