Kurzkritik: zeitgenössische Musik in der Weserburg
: Bellend, röchelnd, gurgelnd

Gnadenlos leer wirkt der Saal, da die Wandbilder zwar Verräumlichung und Verkörperung von Farbe zeigen sollen, aber so gar nichts in den Raum, in den Betrachterkörper hinein vermitteln. Quadratische Langeweile im pompös dunkel schimmernden Großmütter-Design: Gotthard Graubners Kissen. Den Zugang zu solcherart zeitgenössischer Kunst will der neue Weserburg-Chef, Carsten Ahrens, mit einer Konzertreihe zeitgenössischer Musik ermöglichen.

Ähneln musikalische Grenzbereichserkundungen zwischen Struktur, Interpretation und freier Improvisation denen zwischen abstrakter Malerei und der Gestaltung von Omas Wohnzimmerkissen? Genau davor positioniert sich Stephan Meier, überführt die mathematische Kompositionsmethodik von Xenakis’ Perkussionssolo „Rebonds“ in sich ständig verwandelnde Schlagfolgen, so dass im klanggeräuschlichen Prozess zwischen Konstruktion und Ausdruck jegliche Zahlenspiele zu purem Rhythmuszauber werden.

Anschließend animiert Cellist/Posaunist Günter Christmann mit musiktheatralischer Demütigung der Instrumente den Vokalisten Phil Minton zum lautpoetischen Existenzialismus: Menschendarstellung zwischen Aufruhr und Entspannung. Schreiend, rülpsend, bellend, röchelnd, gurgelnd, hechelnd, wimmernd, schmatzend, quasselnd, schnalzend, glucksend, züngelnd, wispernd, zischelnd, hauchend jongliert Minton zwischen baritonalem Ernst und fahlem Countertenor-Glück, verzieht sein Gesicht zu Grimassen, lässt die Brille auf der Nase hüpfen, bringt unsere bescheidene Klang-Welt ins Schwingen. Während Graubners gepolsterte Kunst nur den Schall schluckt.

Jens Fischer