„Das ist Solidarität im Kampf gegen Armut“

Von Entwicklungsländern Spenden anzunehmen gehöre zu einer globalen Gesellschaft, sagt Pfarrer Thomas Lübke vom Schöneberger Diakonieladen. Die spontan gesammelten Geschenke abzulehnen, hätte die Kenianer „verletzt“

taz: Herr Pfarrer Lübke, Kenianer haben Bedürftigen in Schöneberg Kaffee und Tee gespendet. Ist es nicht paradox, dass ein Entwicklungsland einem wohlhabenden Land wie Deutschland Hilfe zukommen lässt?

Thomas Lübke: Das kann ich so nicht sagen. Wissen Sie, was ich viel schlimmer finde: wenn Deutschland sich mit Entwicklungshilfe brüstet, die in diesen Ländern überhaupt nicht funktioniert. Da wurden Pumpen aufgestellt oder Traktoren gebracht, die, sobald der Ingenieur nicht mehr vor Ort ist, den Geist aufgeben.

Auch von Entwicklungsländern Spenden anzunehmen, dieses Geben und Nehmen, gehört zu einer globalen Gesellschaft. Ich verstehe diese Hilfe als Solidarität im Kampf gegen Armut. Aber dennoch überrascht es mich, dass unsere kenianischen Freunde auf diese Idee gekommen sind.

Wie haben die Kenianer von den deutschen Bedürftigen erfahren?

Das lief über Olaf Förster. Im November 2005 war er in Kenia, um die Jahresplanung des Vereins Medizinische DirektHilfe in Afrika abzusprechen. Dort hat Förster den Mitarbeitern des Tawfiq-Hospitals vom Schöneberger Diakonieladen erzählt. Sie sind spontan auf die Idee gekommen, die Initiative mit Freunden und Förderern des Hospitals zu unterstützen.

Medizinische DirektHilfe – was verbirgt sich hinter diesem Namen?

Die Medizinische DirektHilfe in Afrika e. V. wurde 1996 von Olaf Förster und mir ins Leben gerufen. Sie unterhält eine Gesundheitsstation und hat zehn Kenianerinnen zu Krankenpflegerinnen ausbilden lassen, die im Bezirk Malindi medizinische Hilfe und Aidsaufklärungsarbeit leisten. Zudem finanziert sie Notruftelefone, Dienstfahrräder und ein Lebensmittelhilfsprogramm für von HIV/Aids betroffene Familien. Bei „mobilen Sprechstunden“ werden rund 650 Personen pro Tag behandelt. Auch schicken wir regelmäßig Medikamentenspenden deutscher Pharmafirmen nach Kenia.

Welchen Hintergrund hat diese Spende?

Unsere muslimischen Freunde haben sich gesagt: Wenn es in Deutschland so kalt ist, brauchen die Bedürftigen etwas zum Aufwärmen wie Kaffee oder Tee. Es war ihnen ein Herzensanliegen, sich mit meiner Initiative zu solidarisieren. Ich hätte die Kenianer unglaublich verletzt, wenn ich ihr Geschenk abgelehnt hätte.

Eine Bedürftige im Diakonieladen meinte, die Spende sei wohl nicht der beste Kaffee. Stimmt das?

Ach, das ist doch platt: Warum soll, was aus Afrika kommt, schlechte Qualität haben? Das Bild von Afrika ist immer noch zu einseitig. Der Kaffee kommt von einer Exportfirma in Mombasa; von einer Marke also, die auch hier verkauft wird. Übrigens haben wir die Qualität am Dienstag getestet: Es ist sowohl ein schmackhafter Schwarztee als auch ein edler Kaffee.

Wie lange werden Kaffee und Tee reichen?

Wir haben rund 200 Kilogramm Tee und 150 Kilogramm gemahlenen Kaffee erhalten. Spätestens Pfingsten wird wohl alles verteilt sein. Auch wenn es bitter ist: Mitbürger, die in einem anderen Stadtteil wohnen und somit von einer der 34 anderen Ausgabestellen betreut werden, dürfen sich nicht bei uns anstellen. Sonst sind wir nicht in der Lage, die Menschen in unserem Einzugsgebiet zu versorgen.

Interview: Maria Daldrup