DIE KLEINE WORTKUNDE

Sandro Bondi war gerade mal Anfang dreißig, als er sich seinen Spitznamen einhandelte: „Radieschen“ nannte Freund wie Feind den Politiker, als er 1994 die Seite wechselte und zum Getreuen Silvio Berlusconis wurde. Bis 1991 war Bondi Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) gewesen. Als äußerlich Roter, innerlich aber durch und durch Weißer – in der Farbe der italienischen Rechten – war Bondi weiß Gott nicht der Einzige, der die Zeichen der Zeit erkannt zu haben meinte und für seinen Seitenwechsel dann auch mit dem Amt des Kultusministers reichlich belohnt wurde.

Wie sich nun erweist, war Bondi aber nicht umsonst mal rot angestrichen. Kaum war sein Herr und Meister trotz seines 20 Jahre währenden Abwehrkampfs erstmals rechtskräftig verurteilt worden, warnte Senator Bondi vor einem drohenden BÜRGERKRIEG „mit ungewissen Folgen für alle“. Der Renegat Bondi weiß nämlich genau, dass niemand so viel Angst vor einem Bürgerkrieg hat wie die aus seiner Expartei PCI hervorgegangene gemäßigte Linke, die Demokratische Partei. Jahrzehntelang hatte der PCI, obwohl längst sozialdemokratisiert, seine Klientel mit hohler Revolutionsrhetorik bei der Stange zu halten versucht, um dann im entscheidenden Moment regelmäßig einzuknicken. Die italienischen Kommunisten waren sich für keinen noch so erniedrigenden Kompromiss zu schade, um ihr Verantwortungsbewusstsein zu beweisen.

Die Berlusconi-Bande hingegen ist der Wortführer der rechten Anarchie, die Partei der Steuerhinterzieher, der Mafia, der Vatikanlobby und des italienischen Spießers, dem nichts mehr widerstrebt, als dem Staat des Seine zu geben. Das Problem ist also nicht, dass eine Charaktermaske wie Bondi mit Bürgerkrieg droht; sondern dass es nichts gibt, wovor es den Funktionären der italienischen Linken mehr graut als vor der Konfrontation. AMBROS WAIBEL