die taz vor 15 jahren über neue friedenschancen im nahen osten
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Noch nie waren die Chancen für eine Regelung des Palästinenserproblems so günstig: Die USA können nach dem gewonnenen Golfkrieg aus einer Position der Stärke sowohl die arabischen Staaten als auch Israel unter Druck setzen. Präsident Bush kann an der Heimatfront schalten und walten, beinahe wie es ihm beliebt. In Israel selbst regieren die Konservativen, und nur sie wären im Gegensatz zu den Sozialdemokraten innenpolitisch in der Lage, einen Kompromiß „Land gegen Frieden“ auch durchzusetzen. Und Israel hat im Golfkrieg zum ersten Mal erfahren können, daß das bisherige Prinzip der Vergeltung militärischer Angriffe sinnlos werden kann.

Doch Schamir lehnt einen Territorialkompromiß um die Westbank kategorisch ab. Mehr als 20 Jahre lang haben Israels Falken der Bevölkerung und sich selbst erzählt, dieses Gebiet sei politisch und militärisch unverzichtbar. Mehrere zehntausend Juden wurden dort angesiedelt. Die Autonomievorschläge, die jetzt von Schamir gemacht werden, sind so alt wie Camp David. Dieser Scheinlösung werden die Palästinenser, ob mit oder ohne PLO, nicht zustimmen.

Kurzfristig werden Fortschritte in der Palästinenserfrage damit unmöglich. Doch auf mittlere Sicht hat „Land gegen Frieden“ durchaus eine Chance. Denn Israels Bevölkerung hat die Zeichen der Zeit offenbar besser verstanden als die Regierung und glaubt deren Propaganda zunehmend weniger. In Tel Aviv und Haifa wird der angebliche militärische Sinn der Besetzung immer mehr in Zweifel gezogen. Die Friedensbewegung sieht ihre Forderungen bestätigt. Nach Umfragen befürwortet schon jetzt eine deutliche Mehrheit der jüdischen Israelis einen teilweisen Rückzug aus der Westbank.

Zunächst aber wird sich die Nahost-Diplomatie um die besetzen Golan-Höhen und Syrien drehen. Hier haben beide Seiten bereits ihre Bereitschaft zu Kompromissen angedeutet. Den Palästinensern hilft das wenig.

Klaus Hillenbrand, 13. 3. 1991