Warnstreik der Weißkittel

TARIFSTREIT Ärzte an kommunalen Kliniken fordern 5 Prozent mehr Lohn. Arbeitgeber bieten 2,3 Prozent

BERLIN taz | Klinikärzte aus dem ganzen Bundesgebiet sind gestern in einen eintägigen Warnstreik getreten. In Nordrhein-Westfalen waren nach Angaben der Gewerkschaft Marburger Bund (MB) 60 der 80 kommunalen Krankenhäuser von dem Ausstand betroffen. Zu einer zentralen Kundgebung in Köln trafen mehrere hundert Mediziner aus ganz Deutschland zusammen.

Der Marburger Bund hatte die 55.000 Ärzte der kommunalen Krankenhäuser zu Protesten aufgerufen, um seine Forderungen in den festgefahrenen Tarifverhandlungen zu unterstützen. Diese gingen gestern Abend in Köln in die vierte Runde.

Die Gewerkschaft fordert für alle Beschäftigten eine lineare Lohnerhöhung um 5 Prozent sowie eine Verbesserung der Vergütung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen.

Die Arbeitgeberseite, die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), weist die Forderungen als „unerfüllbar“ zurück und kritisierte die Warnstreiks. Sie bietet – gemäß dem Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst vom Februar – eine Gehaltserhöhung von 2,3 Prozent bei einer 26-monatigen Laufzeit, die auch eine Anhebung der Entgelte für den Bereitschaftsdienst umfassen soll. „Es gibt keine zusätzlichen Verteilungsspielräume für einzelne Berufsgruppen im Krankenhaus“, sagte VKA-Verhandlungsführer Joachim Finklenburg.

Hans-Jörg Freese, Sprecher des MB, hält dagegen: „Was in den Bereitschaftsdiensten passiert, ist hochgradig ungerecht.“ Freese kritisiert, dass mittlerweile immer mehr Routinetätigkeiten und Operationen im nächtlichen Bereitschaftsdienst anfielen, dieser aber geringer als die Regelarbeitszeit vergütet werde. So legt der Arbeitgeber fest, ob der Bereitschaftsdienst, der in der Regel 16 Stunden dauert, zu 60, 75 oder 90 Prozent als Arbeitszeit gilt. Der MB spricht von „Lohnklau“ – auch weil der Ruhetag, der nach einem Bereitschaftsdienst gesetzlich vorgeschrieben ist, wie ein versäumter Arbeitstag als achtstündiges Minus auf dem Arbeitszeitkonto der Mediziner verbucht werde. „In Schweden wird der nächtliche Bereitschaftsdienst hingegen mit 200 Prozent vergütet“, unterstrich Freese. Für ihn steht fest: Eine steigende Anzahl von Behandlungsfällen – 2009 waren es 17 Millionen – viele Überstunden und schlechte Bezahlung machten den Arztberuf zunehmend unattraktiv. Schon jetzt gebe es 5.000 unbesetzte Stellen. EVA VÖLPEL

Meinung + Diskussion SEITE 12