Wahlkampf auf verlorenem Posten

In Rheinland-Pfalz scheint CDU-Spitzenkandidat Christoph Böhr schon verloren zu haben. Seine Partei liegt in Umfragen sechs Prozent hinter der SPD. Jetzt hat der trockene Philosoph ein neues Thema endeckt: Er schürt Angst vor Muslimen

Aus Mainz Klaus-Peter Klingelschmitt

Haben die Grünen in Rheinland-Pfalz einen geheimen Plan B für die Zeit nach der Landtagswahl in knapp Wochen? B wie Böhr etwa? So jedenfalls heißt der Spitzenkandidat der Union. Vorname: Christoph. Mit dem biederen promovierten Philosophen aus Trier wollen die Grünen – nach Plan A – zwar auf gar keinen Fall koalieren, auch wenn sie endlich gern einmal Regierungspartei sein möchte. Denn programmatische Schnittmengen gebe es nicht mit der hausbackenen Union. Plötzlich aber geriert sich die ansonsten metropolentauglich gestylte grüne Frontfrau Ise Thomas auf den Wahlplakaten der Grünen als kleinkarierte „Landliesel“. Der Spruch dazu: „Jetzt kommt Ise!“ Wohin aber? Am Ende vielleicht doch in die Arme von Böhr?

Kaum zu glauben. Denn für die Grünen die Arme zu öffenen, dazu fehlt dem 52-Jährigen, der Landesvorsitzender der Partei und Chef der Landtagsfraktion ist, der Mut. Schwarz-Grün ist kein Thema im Land. Und wenn Thomas mit ihrem demonstrativ biobäuerlichen Outfit bei den Landtagswahlen aus den Tälern von Hunsrück oder Pfälzer Wald für die Grünen ein paar Stimmen mehr als sonst herausgeholt hat, ist auch diese Mission erfüllt.

Denn vor allem wollen die Grünen endlich einmal stärker als die FDP im Lande werden – was ihnen noch nie gelungen ist. Die FDP ist seit jetzt drei Legislaturperioden fest mit der SPD von Ministerpräsident Kurt Beck liiert. Und dass die Gelben und Roten mit Beck als Chef das Land auch die nächsten fünf Jahre regieren werden, steht für die Demoskopie außer Zweifel.

Sechs Prozent liegt die Union hinter der SPD zurück; und Beck schlägt seinen Herausforderer bei den Sympathiewerten um Längen. Böhr kämpft also auf verlorenem Posten. Doch die Hoffnung stirbt auch in der Politik zuletzt. Vom „frischen Wind der großen Koalition, von der Ausstrahlung unserer Kanzlerin“ glaubt Böhr noch profitieren zu können. Und wenn die Union dann am Wahlsonntag stärkste Fraktion werde, komme auch die FDP nicht umhin, ihre Entscheidung für die SPD neu zu überdenken.

So jedenfalls die vage Kalkulation des im öffentlichen Auftritt meist knäckebrottrocken agierenden und irgendwie hüftsteif daher kommenden Böhr. Der beschäftigte sich 1984 in seiner Dissertation mit der „Popularphilosophie der deutschen Spätaufklärung im Zeitalter Kants“. Kein Knaller. So wenig wie seine Publikation: „Liberalismus und Minimalismus. Kritische Anmerkungen zu einer zeitgenössischen Minimalkonzeption“ von 1985.

Als Politiker einen schweren Stand auch in der eigenen Partei hatte der Intellektuelle immer. Schon Helmut Kohl traute ihm nicht viel zu. Und 2004 wollten ihn die mächtigen Bezirksfürsten der rheinland-pfälzischen Union nicht als Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen haben. Doch die Palastrevolution gegen Böhr scheiterte, weil sich bei einer Urabstimmung eine deutliche Mehrheit der Parteimitglieder für Böhr und gegen den zehn Jahre älteren Rädelsführer der Aufständischem, den Bundestagsabgeordneten Peter Rauen, aussprachen.

Jetzt also geht die CDU mit Böhr wahrscheinlich in die vierte Oppositionslegislaturperiode. SPD-Ministerpräsident Beck nämlich kann auch wirtschaftliche Erfolge vorweisen. Und selbst der das Land stark belastende Truppenabbau wurde meist bravourös bewältigt.

Böhrs Attacken aber sind unglaubwürdig und kommen nicht an. Der gelernte Elektriker Beck dagegen begeistert die Menschen. Beck spricht ihre Sprache, Böhr eher nicht. Zeigt der CDU-Spitzenkandidat Emotionen und wird laut, wirkt es gekünstelt und überzogen. Zeigt er sie nicht, wird er seinem Ruf als „Schlaftablette der Landespolitik“ (SPD) gerecht.

Wohl aus Verzweiflung schürt er jetzt „verantwortungslos Angst vor unseren muslimischen Mitbürgern“, wie es die Grünen nennen. Tatsächlich fordert Böhr plötzlich verschärfte Einbürgerungstests und wettert gegen „religiöse Kopftücher“ und den angeblich um sich greifenden Bau von Moscheen in Deutschland. Christlich sei das Land. Und christlich bleibe es, so sein Credo. Angstbeißerei also. Sollten die Grünen tatsächlich einen Plan B gebunkert haben, ist der jetzt endgültig obsolet.