„Die Gefahr lauert im Hintergrund“

Der stellvertretende Landesbeauftragte für den Datenschutz, Burkhard Freier, über die Probleme des personalisierten Datenverkehrs und die schleichende Gefahr der Überwachung – auch bei der Fußball-WM

taz: Herr Freier, die nordrheinwestfälische Landesregierung propagiert am Rande der CeBIT in Hannover Radio Frequency Identification (RFID) als Technologie der Zukunft. Teilen Sie die Euphorie der Politik?

Burkhard Freier: Das Problem ist nicht die Technik an sich. Beispielsweise im Bereich des Tierschutzes kann sie durchaus von Nutzen sein. Man kann dort etwa die Historie eines Tieres von der Geburt bis zum Tod nachvollziehen. Die Gefahr lauert im Hintergrund, im personalisierten Datenverkehr. Bei den RFID-Chips kommt es immer darauf an, wie und für welchen Zweck sie eingesetzt werden.

Also haben Sie keine datenschutzrechtlichen Bedenken.

Wir müssen verschiedene Kategorien unterscheiden. Manche Chips enthalten nur eine Seriennummer und werden überhaupt nicht mit personenbezogenen Daten in Zusammenhang gebracht. Diese Form ist unbedenklich. Mit den Chips können aber auch über die weltweit eindeutige Seriennummer personenbezogene Daten wie Name, Geburtstag oder Nationalität von Verbraucherinnen und Verbrauchern dem mit dem RFID gekennzeichneten Gegenstand zugeordnet werden. So können unter anderem Firmen Konsumentenprofile erstellen. Die bedenklichste Kategorie sind Chips, auf denen selbst personenbezogene Daten direkt gespeichert sind. Hier ist die Gefahr von Kopieren, Verfälschen und Manipulation am größten.

Wie wollen Sie das kontrollieren?

Wir fordern eine größtmögliche Transparenz. Konsum beruht auf Vertrauen. Die Kunden müssen informiert werden, auf welchen Waren ein Chip angebracht ist. Unternehmen sollen verpflichtet werden, die Art und Weise des Datenverkehrs offen zu legen. Eine unserer Forderung lautet, dass wenn RFID-Chip – auch ohne Zutun des Kunden – ausgelesen oder anders aktiviert werden, ein Signal hör- oder sichtbar wird. Außerdem muss die Möglichkeit zur Löschung des Chips bestehen. Natürlich ist die Transparenz auch ein Kostenfaktor für die Unternehmen, aber wer Verbraucherinnen und Verbraucher gewinnen will, muss in deren Vertrauen investieren.

Haben Sie Möglichkeiten, Sanktionen gegen Firmen auszusprechen?

Solange keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden, die RFID-Kennzeichnung z.B. ausschließlich zur unternehmensinternen Warenverfolgung eingesetzt wird, haben wir keinen Handlungsbedarf. Werden personenbezogene Daten verarbeitet und dabei Datenschutzbestimmungen verletzt, können wir ein Bußgeld verhängen.

Die Tickets bei der Fußball-WM in Deutschland sind mit RFID-Chips ausgestattet, haben Sie da überhaupt noch Lust ins Stadion zu gehen?

Die Problemlage hier ist ein andere. Es ist nicht erforderlich, personenbezogene Daten zu den Tickets zu speichern. Der anonyme Besuch von öffentlichen Veranstaltungen muss gewährleistet bleiben. Die Gefahr besteht, dass auch bei kleineren Veranstaltungen die RFID-Technik Einzug halten wird. Den Einzug einer solchen innovativen Technik werden wir nicht aufhalten. Es ist wesentlich, dass sie datenschutzgerecht eingesetzt wird.

INTERVIEW: HOLGER PAULER