Ärzte-Zunft hofft auf Aufmerksamkeit

Bis heute stimmen ÄrztInnen in NRW über einen möglichen Streik ab. Sie fordern 30 Prozent mehr Gehalt. Mit dem Arbeitskampf der Angestellten wollen sie nichts zu tun haben. „Die ziehen alle Aufmerksamkeit auf sich“

DÜSSELDORF taz ■ Es geht nicht um Reichtümer, sagen die Ärzte in NRW. „Ich möchte einfach einen gerechten Lohn, wenn ich 80 Stunden in der Woche arbeiten muss“, sagt der Düsseldorfer Universitäts-Ärztesprecher Ingo Alldinger. Heute und morgen entscheiden nun auch die Ärzte, ob sie mit ihrer Gewerkschaft, dem Marburger Bund, die Arbeit nieder legen werden. Der 40-jährige Chirurg leidet auch unter einem zweiten Arbeitskampf: Der Streik der Klinikums-Angestellten reißt seit fünf Wochen ein Loch in die Personaldecke des Krankenhauses. Allein in Düsseldorf befinden sich derzeit rund 600 Angestellte in dem von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di organisierten Ausstand. Ihre Forderungen sind ein Tarifvertrag, der eine 38,5 Stunden-Woche vorsieht sowie Streichungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld verhindert.

Doch in NRW sind die Mediziner gespalten. Passen ihre Anliegen in das öffentliche Meinungsbild? Stößt man bei Forderungen von 30 Prozent mehr Gehalt sowie einer regelmäßige Bezahlung für Überstunden überhaupt auf Verständnis?

Viele Ärzte bezweifeln dies, auch wenn sie, wie Alldingers Kollege Kai Balzer, sagen, dass es ja nicht so sei, dass die Mediziner an den Universitätskliniken von 100 auf 130 Prozent wollen. „Wir wollen von 70 wieder auf 100“, so Balzer. Seit Jahren stagniere das Gehaltsniveau der Mediziner und Überstunden würden nahezu gar nicht bezahlt. Da müsse der Arzt oft zum Idealisten werden. „Freizeit für die Familie sowie geregelte Arbeitszeiten sehen das Berufsbild momentan nicht vor“, sagt Balzer. Und der Ver.di-Streik fordere vom Ärztepersonal noch mehr Energie, wichtige Operationen oder Behandlungen überhaupt durchführen zu können.

Genau in diese Phase fällt nun die Urabstimmung der Ärzte an allen Universitätskliniken der Republik. Mit einer Entscheidung zum Streik rechne man, bestätigt Alldinger. Für die Ärzte in Nordrhein-Westfalen wäre es schwierig, den Streik in den Medien gut zu verkaufen: „Im Moment schaut jeder auf die Ver.di-Aktionen“, sagt Assistenzarzt Ralph Marktanner. Das Bild in der Presse sei davon geprägt und für die Ärzte deshalb blockiert.“

Die Leiterin für Gesundheitswesen von Ver.di, Sylvia Bühler, begrüßt die Urabstimmung. Der Druck auf Finanzminister Helmut Linssen (CDU) wachse dadurch und „er ist nun gut beraten, schnell zu handeln.“ Inwiefern Bühler dabei auch die Interessen der Ärzte im Sinn hat, bleibt unklar. Wichtig sind nun mal die eigenen Anliegen, und die sehen keine 30 Prozent Gehaltserhöhung vor. Ver.di könnte der Gewinner eines Ärztestreiks werden: Die Forderungen der Angestellten sind im Vergleich zu einem Drittel mehr Geld für die Beschäftigten der Ärzteschaft gering.

Den Ärzten bleibt aber Hoffnung. Bei den Informationsgesprächen mit dem Marburger-Bund am vergangenen Freitag einigte man sich, bei einer Streikentscheidung zunächst nur acht der insgesamt 34 Kliniken in Deutschland zu bestreiken. Und das vornehmlich im Raum Baden-Württemberg. Erst dann wolle man Woche für Woche den Ausstand erweitern, kündigt der Marburger Bund an. Vielleicht gibt es dann, bis der Streik tatsächlich in NRW ankommt, bereits eine Einigung zwischen Ver.di und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL). Dann können die Düsseldorfer Ärzte das Streikzelt an der Moorenstraße, das Ver.di dort seit fünf Wochen nutzt, einfach übernehmen. Denn, so Klinikarzt Marktanner: „Ein Streik unserer Zunft ist erst dann sinnvoll, wenn die Ver.di-Geschichte vorbei ist.“

CHRISTOPH ULRICH