KARIM EL-GAWHARY ÜBER DIE KONFRONTATION ZWISCHEN DEN USA UND ISRAEL
: Letzte Chance für zwei Staaten

Schreibt Washington die Regeln im Nahostkonflikt neu? In ihrer Rede vor dem proisraelischen Lobby-Verband Aipac betonte Hillary Clinton am Montag zwar gewohnt die „moralische Verpflichtung, Israel in alle Ewigkeit zu unterstützen“. Zugleich hob die US-Außenministerin hervor, der Status quo sei „nicht mehr haltbar“. Elegant forderte sie damit ein Ende der Besatzung ein, ohne dieses Wort in den Mund nehmen zu müssen.

Clinton nannte drei Gründe, warum die Uhr gegen Israel und die USA laufe. Demographisch nimmt die arabische Bevölkerung in Israel zu. Zählt man die Palästinenser in den besetzten Gebieten hinzu, wird die jüdische Bevölkerung dort bald zur Minderheit. Die Alternative zu einer Zweistaatenlösung wäre ein einheitlicher Staat, der aber nicht mehr demokratisch sein kann, wenn er seinen jüdischen Charakter behalten will.

Was den Kampf der Ideologien betrifft, ist die gegenwärtige Situation nur Wasser auf die Mühlen von Hamas, Hisbollah und Iran. Das untergräbt nicht nur die Sicherheit Israels, sondern auch die der USA. Schließlich hat Obama in der Region noch zwei andere Konflikte zu verwalten – einen im Irak, den er beenden will, und einen in Afghanistan, der eskaliert. Ein palästinensischer Staat würde den moderaten arabischen Regimen Auftrieb und dem Iran Einhalt gebieten.

Außerdem sind die USA zu der Einsicht gekommen, dass sich die Machtverhältnisse in der Region nicht mit militärischen Mitteln verändern lassen. Neue Raketentechnologie und asymmetrische Kriegsführung führen dazu, dass sich militärische Übermacht nicht mehr in politischen Erfolg übersetzen lässt. Clinton fasste das unter dem Begriff der „technologischen“ Entwicklung zusammen.

Hatten die Neokonservativen unter US-Präsident Bush stets die bedingungslose Unterstützung Israels zu ihrem politischen Mantra gemacht, ist unter Obama ein neuer Realismus in Sachen Nahost eingezogen. Er lautet: Eine Zweistaatenlösung ist gut für Israel und gut für die USA. Und: Die Zeit, den Konflikt zu lösen, läuft aus.

Netanjahu allerdings spricht immer noch vom israelischen „Recht“, in Jerusalem zu bauen. Die über hundert israelischen Siedlungen mit einer halben Million Siedlern im Westjordanland und in Ostjerusalem stehen für den Hardliner nicht zur Disposition. Ungewohnt ist für ihn nur, das Washington diese Politik nicht mehr wie bisher stillschweigend abnickt.

Washington fällt inzwischen nicht mehr auf Netanjahus Nebelkerzen herein, mit nichtssagenden Gesprächen Zeit zu gewinnen und zugleich mit neuen Siedlungsbauten Fakten zu schaffen. Drei Forderungen habe Clinton aufgestellt, berichten israelische Medien. Die Bauprojekte in Ostjerusalem sollen storniert werden, Israel soll mit eindeutigen Schritten das Vertrauen der palästinensischen Unterhändler gewinnen und: Netanjahu soll eine Zusage machen, dass er zu substantiellen Gesprächen über eine künftige Zweistaatenlösung bereit ist.

Die Palästinenser betrachten den Streit zwischen Israel und den USA staunend von der Seitenlinie aus. Sie können nur hoffen, dass Obama die massiven Finanz- und Militärhilfen der USA an Israel als Druckmittel einsetzt – so, wie George Bush senior einst mit der bloßen Drohung, die US-Kreditgarantien an Israel zurückzunehmen, vor zwei Jahrzehnten den Hardliner Jitzhak Schamir dazu zwang, sich 1991 erstmals mit den Palästinensern in Madrid an den Verhandlungstisch zu setzen. Dass Clinton bei ihrer Rede vor Aipac die US-Militärhilfe von jährlich drei Milliarden Dollar an Israel aufzählte, konnte daher auch als Warnung verstanden werden.

Ein Kompromiss zwischen den USA und Israel könnte tatsächlich zu einem Ende der israelischen Besatzung und zu einem palästinensischen Staat führen. Auf arabischer Seite herrscht allerdings tiefe Skepsis, ob dieser dann aus viel mehr als aus einer Ansammlung von Bantustans bestehen wird. Selbst davon ist man bisher noch weit entfernt. Und das letzte Mal, als Obama von Netanjahu einen Stopp des Siedlungsbaus verlangte, machte der US-Präsident einen Rückzieher.

Gibt Obama nun erneut klein bei, dann hat er sein politisches Kapital in der Region verspielt. Andererseits war die Chance für die USA noch nie so groß, im Nahen Osten wieder Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und dem Iran, Hamas und Hisbollah die Initiative zu entreißen.

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