DOMINANTE FRAUEN
: Künstlerisch arbeiten

Falls ich ihm nicht ins Gesicht spucken wolle, täte es auch der Boden

„Da ist er schon“, dachte ich. „Der, der mich ansprechen wird.“ Und er war es auch. „Entschuldigung, darf ich Sie ansprechen?“ – „Hm“, entgegnete ich müde. Ich war auf dem Weg nach Hause. Nach einem anstrengenden Arbeitstag. Ich war schwach und wirklich ausgelaugt und, wie ich nun so völlig fertig die Kochstraße entlangschlurfte, wie befürchtet auch eine leichte Beute für Verrückte.

„Ich bin Künstler“, versuchte der Mann eine Erklärung. Er beschrieb mir sein neues Projekt, in dem er die Hierarchie zwischen Mann und Frau umdrehen wolle. Und das mithilfe dominanter Frauen wie mir. Ja, ich weiß; man soll keine Süßigkeiten von netten Onkels nehmen – aber insgeheim freute ich mich eben doch. Dominant, mmmh. Das. Bin. Ich. Na ja, zumindest wünsche ich mir das. Und schon hatte ich angebissen.

Seine Rede gewann stetig an Fahrt. Ob ich schon mal jemanden angespuckt hätte? – „Rudolf Scharping“, sage ich zögernd, „doch leider nur auf die Schuhe.“ – Wie die Spucke gewesen sei? – Hm, äh. An dem Ausspruch „Jemandem bleibt die Spucke weg“, da sei schon was dran, umschreibe ich kleinlaut. – Ob ich gern jemandem ins Gesicht spucken würde? – „Hm“, sage ich. – Ob ich ihm ins Gesicht rotzen wolle, nicht seicht wie auf Scharpings Füße, sondern so richtig fett, damit er seine Gefühle malen könne? Es würde auch eine Ausstellung dazu geben. – „Hm“, sage ich und frage mich, ob er ein perverser Künstler oder ein künstlerisch arbeitender Perverser ist. Falls ich ihm nicht ins Gesicht spucken wollen würde, täte es auch der Boden, er würde die Spucke dann auflecken. Alternativ könne ich ihn als Esel bezeichnen. Wenigstens das. Außerdem würde er, falls ich das wünschte, meine Schuhe putzen oder mir sonst wie zu Diensten sein.

„Hm“, sage ich noch mal. Und frage dann: „Was für eine Kunst machen Sie eigentlich?“

SONJA VOGEL