LESERINNENBRIEFE
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Mir war, ich würde noch träumen

■ betr.: „Lernen für unser Leben – oder für den Job?“, taz vom 7. 8. 13

Bei der heutigen taz-Lektüre (wie immer mit einem Topf Kaffee und zwei Bananen noch im Bett) war mir, ich würde noch träumen.

„… das ökonomische Interesse, sowohl des Individuums als auch der Industrie, ist auf ein kreatives, verantwortungsvolles umfassend gebildetes eigenverantwortliches Subjekt gerichtet.“ Da muss sich ja seit meiner Werkstudentenzeit einiges geändert haben. Lange Nächte pinselte ich bei Mannesmann verschiedene Farbringe um Metallrohre, während der Stammarbeiter in 13 Jahren auf einer Länge von sieben Metern beim Richten von Rohren und Hin- und Hergehen eine Metallplatte spiegelblank getreten hatte. Vermutlich ist er heute Chef von Mannesmann, denn: „… demokratische Gesellschaften auf Bildungsgerechtigkeit angewiesen sind, weil Herrschende und Beherrschte prinzipiell dieselben sind und damit gerechnet werden muss, dass die Untertanen von heute morgen regieren“. Immerhin habe ich aus dem Artikel gelernt, dass es offenbar Aufgabe von Bildungsforschern ist, ihre Leser blödzuschreiben.

UDO GRÖNHEIT, Berlin

Pentagon zum Wigwam

■ betr.: „Aufklärung ohne Folgen“, taz vom 3. 8. 13

Amerika jubelt! Bradley Manning kommt in den Knast! George Zimmerman (Mord an einem schwarzen Teenager) kommt frei! Und die Mutigen, die gegen diese Hohn-Urteile demonstrieren, werden wegen „unamerikanischer“ Umtriebe verfolgt, inhaftiert und haben nur noch (gitter-)begrenzte Aussichten in ihrem Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Diese Urteile sind ein Indiz für den geistig-moralischen Krankheitsprozess und Verfall der USA seit Vietnam. Die Hymne „God Bless America!“, mit Hand aufs Herz, erreicht Gottes Ohr nicht mehr. Zu viel unschuldiges Blut klebt auch an dieser Hand. Vielleicht rächen sich jetzt die Götter der entwürdigten „Natives“, und der große Geist Manitus herrscht wieder über „God’s Own Country“! Ein Kindheitstraum würde für mich wahr werden! Who knows? Träumen ist ja erlaubt und (noch) NSA-sicher.

Amerika, grab die Friedenspfeife wieder aus und mach das Pentagon zum Wigwam! JOS DOERES, Mülheim

Keine intellektuelle Leistung

■ betr.: „Der bekennende Idiot“, taz vom 5. 8. 13

Für Privilegierte wie Botho Strauß ist es selbstverständlich kein Problem, sich im privaten Elfenbeinturm dem Degout vorm Rest der Welt hinzugeben. Darin besteht aber auch keine besondere intellektuelle Leistung; eher schon der Weg des geringsten Widerstands.

Und leider verfällt Albrecht von Luckes Text dann ebenfalls allzu rasch der Annahme, Massen- und Breitenwirkung pauschal mit Niveauverlust gleichzusetzen. Das ist auch sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber gerade deshalb ist es doch Aufgabe von Kulturschaffenden, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten neugierig zu machen auf Dinge auch jenseits des individuellen Horizonts und darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, trotz der anstrengenden Alltagsbewältigung den Kopf nicht einfach zuzumachen.

Ich bin mir jedenfalls sicher, dass große Teile der „breiten Masse“ durchaus Gefallen an Anspruchsvollerem als „Tatort“ etc. finden, wenn der Zugang dazu nicht elitär abgeschottet wird.

FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Geht’s noch?

■ betr.: „Manche haben auch ein Referendariat“, taz vom 7. 8. 13

Dieser Artikel basiert auf willkürlich ausgesuchten Beispielen und strotzt von einseitig ausgewählten „Informationen“, mit denen die Unterrichtsqualität an Privatschulen pauschal diskreditiert wird. Völlig unkritisch werden die Kontrolle durch staatliche Behörden und die staatliche Ausbildung von Lehrkräften als Gütevoraussetzungen für Unterricht und den Lernerfolg bei Schülern angenommen. Das Ganze gipfelt in der Unterstellung, allen Waldorfschullehrern fehle es an der erforderlichen Unterrichtsbefähigung, da sie nicht nach den Erkenntnissen seriöser Erziehungswissenschaft, sondern nach den Prinzipien anthroposophischer Esoterik ausgebildet würden. Ja, geht’s noch? MARION VOGELSANG, Lehrerin mit

2. Staatsexamen an einem staatlichen Gymnasium, Münster

Strukturelle Gewalt

■ betr.: „Nachschub bei Peggy“, taz vom 6. 8. 13

Interessanter Bericht. Er widerspricht sich allerdings in einem wichtigen Punkt. Zum einen sind Till und Julian mutterlos (die Väter also biologische Wunder): „Till, Sohn eines Alkoholikers. Julian, Sohn eines Polizisten.“ Zum anderen nennen Sie als Gründe für Obdachlosigkeit „die falsche Mutter“. Mir scheint, die Mutter ist also schuld, aber wieso? Sie existiert doch gar nicht?

Ganz im Ernst. Ich hasse es an der taz, dass auch dort den Müttern bei Bedarf die Schuld zugeschrieben wird, und viel schlimmer, sie an fast allen Stellen, wo es um Biografisches geht, weggelassen, totgeschwiegen werden. In vielen Publikationen ist das so, aber warum in der taz? Jede Woche stolpere ich in irgendeinem Artikel über diese Art von „struktureller Gewalt“ bei euch, sorry, ich bin’s einfach leid. So viele Jahre taz und „Gender“ (zu meiner Studentinnenzeitzeit hieß das Emanzipation, Feminismus) und immer noch nichts begriffen. Heul! ANDREA MARQUARDT, Hamburg