bremen heute
: Die Rückkehr des Umarmers

Heute diskutieren die Kontrahenten des Tarifstreits, ob sie Henning Scherf als Schlichter engagieren wollen

Es gibt Ämter, für die kann man sich nicht bewerben. Man wird gefragt. Sie werden einem angetragen, ehrenhalber. Und der Job eines Schlichters von Tarifauseinandersetzungen ist so ein Amt. Zu vergeben ist er ausschließlich an Ex-Politiker – wie Henning Scherf einer ist.

Die Aufgabe gilt als undankbar, gilt es doch, seit Wochen Streitende und Streikende zu befrieden. Mit ihnen einen Kompromiss auszuhandeln, von dem nachher alle behaupten, „dass sie damit leben können“. Richtlinienkompetenz ist nicht zu vergeben, auch Ultimaten helfen wenig. Man bleibt auf das Wohlwollen der Kontrahenten angewiesen, die Schlichtermacht ist eine ganz und gar informelle.

Doch wenn alles gut geht, gibt es viele Meriten zu verdienen – auch für Henning Scherf, der sich jetzt beim Öffentlichen Dienst für besagtes Amt ins Gespräch gebracht hat. Das „Hamburger Abendblatt“ bot ihm dafür ein dankbares Forum. „Wenn ich von beiden Seiten gefragt werde, würde ich nicht Nein sagen“, wird der SPD-Politiker zitiert. Und wer einen Streik zu schlichten vermag, gilt auch für Höheres, Repräsentativeres als qualifiziert. So meldet sich einer in der Politik zurück.

Sofort traten die Ketzer auf den Plan: Es sei völlig unüblich, dass sich Schlichter öffentlich anbieten, hieß es gestern aus der Tarifgemeinschaft der Länder. Dabei bringt Scherf durchaus einschlägige Qualitäten mit. Nicht wenigen gilt der Patriarch als Großmeister des Kompromisses. Teure Umarmungen hat er schon viele in Szene gesetzt. Allzu viel Aktenstudium würde ihm nicht abverlangt. Und nachher könnten sie alle zu ihm aufschauen. Naturgemäß. Jan Zier