Wachsende Proteste gegen Thailands Premier

In Bangkok demonstrieren mehr als 100.000 Menschen gegen den in Ungnade gefallenen Thaksin Shinawatra

BANGKOK taz ■ Die Nacht haben sie im Sanam Luang verbracht, dem Park gegenüber dem Königspalast, um an der für den frühen Morgen angesetzten Großdemonstration teilnehmen zu können. Mit Sprechchören wie „Thaksin, raus mit dir“ und „Veränderung durch Frieden“ marschierten zehntausende von dort zum Regierungssitz. Erneut verlangten sie den sofortigen Rücktritt von Premierminister Thaksin Shinawatra. Sie würden nicht eher von seinem Amtssitz abziehen, bis Thaksin abtrete.

„Er verkauft unser Land an Singapur“, klagten zwei Demonstrantinnen. Ein anderer Protestler fügte hinzu: „Wir wollen keine Konfrontation, wir wollen ihn nur aus dem Amt haben. Seine Amt hat er nur benutzt, um Geld für seine Familie und Anhänger zu scheffeln.“

Thaksin wich seinen Kritikern in der Hauptstadt bewusst aus und nahm auch nicht an der Kabinettssitzung teil. Stattdessen machte er im Nordosten des Landes Wahlkampf. Den Demonstranten drohte er mit der Verhängung des Ausnahmezustands, falls Gewalt ausbreche. Das Notstandsgesetz war bereits Mitte 2005 in drei muslimisch dominierten Südprovinzen verhängt worden, um die dort seit Januar 2004 andauernden Anschläge einzudämmen. Der Premier hat die Macht, den Notstand auf das ganze Land auszudehnen. Das ermöglicht, Verdächtige bis zu 30 Tage ohne formelle Anklage festzunehmen.

Thaksins politische Gegner, allen voran der Ex-Generalmajor Chamlong Srimuang, beschworen die Demonstranten, Ruhe zu bewahren: „Geht nicht auf das Gelände des Regierungssitzes, durchbrecht nicht die Tore, andererseits gehen wir ihnen in die Falle.“ Der Vorsitzende der sektenähnlichen „Dharma Army“ und frühere Gouverneur von Bangkok ist ein ehemaliger Mentor Thaksins. Im Mai 1992 hatte Chamlong die Protestbewegung gegen die Militärregierung angeführt. Damals eröffneten Soldaten das Feuer auf die Demonstranten, was das Ende der Militärherrschaft einleitete.

Jetzt ist ein Ausweg aus der politischen Sackgasse nicht in Sicht. Die Fronten zwischen Anhängern und Gegnern Thaksins verhärten sich. Akademiker wie der Sozialkritiker Thirayuth Boonmi meinen, es sei nur eine Frage der Zeit, bis Thaksin seine politische Niederlage eingestehen müsse. „Er wird diese politische Krise vielleicht vorübergehend überleben, solange er mit Mitteln wie Geld und Macht zurückschlägt“, sagte Thirayuth der regierungskritischen Zeitung The Nation. Aber je länger der Verzweiflungskampf währe, desto armseliger würden seine Strategien.

Thaksin wird Vermischung politischer und geschäftlicher Interessen vorgeworfen. Die seit Wochen andauernden Proteste gegen ihn entzündeten sich vor allem daran, dass seine Familie den von ihr kontrollierten Teil des Telekommunikationskonzerns „Shin Corp“ an ein Unternehmen in Singapur verkaufte, ohne für den Deal von umgerechnet 1,6 Milliarden Euro Steuern zu zahlen. Um den Druck der Kritiker zu mildern, hatte Thaksin für den 2. April vorgezogene Wahlen angekündigt. Die Opposition ruft aber zum Boykott auf.