Das Ding, das kommt
: Befreite Straßennamen

KOLONIALISTISCHE STRASSENSCHILDER wie hier im Hamburger Hafen prangert eine Ausstellung an

Da wäre zum Beispiel Hans Dominik. Den Namen des Offiziers, der um 1900 als „Schrecken von Kamerun“ galt, kennt man nicht. Denn das Thema „Deutscher Kolonialismus“ kommt in der Schule selten vor.

Das wäre aber hilfreich, damit man einordnen könnte, was man täglich sieht: Straßen großer oder kleiner Städte, die nach Kolonisatoren, Kolonien oder Kolonialwaren benannt sind. Wie viele es zum Beispiel in Hamburg sind, weiß keiner genau – auch die Hamburger Künstlerin HM Jokinen nicht, die seit zehn Jahren Postkolonialismus-Forschung betreibt. 2004 hat sie die Debatte befeuert, indem sie das in einen Keller verfrachtete Denkmal für den einstigen Kolonialgouverneur Hermann von Wißmann am Hafen aufstellte.

Unweit der Hafencity war das übrigens, die gespickt ist mit Eroberer-Namen wie Magellan, Marco Polo, Vasco da Gama. Und wenn man bedenkt, dass diese Namen recht frisch sind, wirft das ein merkwürdiges Licht auf Hamburgs Erinnerungskultur.

Das soll jetzt anders werden, hat Hamburgs Senat beschlossen. Man wolle sich endlich mit diesem Aspekt der eigenen Vergangenheit befassen, eventuell auch Straßen umbenennen.

Namenspatrone wie Hans Dominik stünden da zur Debatte – oder Adolph Woermann, der im damaligen „Deutsch-Südwest-Afrika“, dem heutigen Namibia , 1904 den Herero-Aufstand niederschlug. Alfred von Waldersee ist Straßennamensgeber. Der Offizier verantwortete die Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstands um 1900.

Solche Relikte sind zahlreich in Städten wie Berlin, Hamburg und München, und dass sie noch existieren, irritiert. Denn Umbenennungen sind kein neues Phänomen; einige Städte begannen damit gleich 1945, wie eine Liste des Kunstprojekts „freedom roads!“ zeigt, das derzeit eine Wanderausstellung präsentiert.

In Berlin ist sie schon gewesen, nach Hamburg kommt sie am Dienstag. Danach zieht sie nach München, und sie will dreierlei: einerseits informieren über existierende koloniale Straßennamen und die Biografien der Täter, andererseits alternative Namen anbieten: von Menschen, die sich gegen die Kolonialherrschaft wehrten. Denn da sollen nach der Umbenennung ja keine Wald- und Wiesennamen stehen. Man wolle vielmehr historische Kontinuität, sagt HM Jokinen. Drittens will die von Station zu Station „wachsende“ Schau, zu der Besucher Vorschläge beisteuern können, Samen der Veränderung säen.

In Berlin sei das, erzählt Jokinen, bereits gelungen. Da plane man, das Afrikanische Viertel zu einem Erinnerungs- und Lernort zu machen. Und in München habe das Stadtmuseum bereits zu einem kritischen Blick auf die eigene Präsentation gefunden, die kolonialistische Elemente enthalte.

Das ist viel, und für Hamburg wünschen sich die Macher Ähnliches. Derzeit, sagt Jokinen, sei Hamburg nämlich „Schlusslicht in der postkolonialen Erinnerungskultur“. Was man auch daran sehen kann, dass man im Stadtteil Wandsbek noch 2006 eine Büste für den Sklavenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann aufstellte. Nach heftigem Streit wurde sie 2008 entfernt. Nächster Schritt wäre, Schimmelmannallee, Schimmelmannstieg und Schimmelmannstraße umzutaufen.PETRA SCHELLEN

■ „freedom roads!“: 13. 8. bis 22. 9., Kunsthaus Hamburg