LESERINNENBRIEFE
:

Schlicht ein Verfassungsgebot

■ betr.: „Linke wollen draußen bleiben“, taz vom 22. 3. 10

Auf der heutigen Titelseite stellt ihr die „Kampfeinsätze der Bundeswehr“ durch die Aussagen von Jan Korte als dogmatisches Ausschlusskriterium der Partei Die Linke dar. Abgesehen davon, dass Korte sich sicher nicht explizit darauf bezogen hat (schließlich ein Mitgrund, warum er die Grünen verlassen hat), geht es hier speziell um „Auslands“einsätze der Bundeswehr. Und diese generell auszuschließen ist nicht dogmatisch, sondern schlicht Verfassungsgebot. MICHAEL KARG, Göttingen

Die Quelle des Irrsinns

■ betr.: „Sich die Welt schönkaufen“, taz vom 19. 3. 10

Lieber Nick Reimer, genau auf den Punkt gebracht: Konsumenten wollen konsumieren, und solange wir eine Warengesellschaft haben, die viel und immer mehr Konsum mit Glück gleichsetzt, werden von dieser Seite die nötigen radikalen Transformationsimpulse nicht kommen. Das Grundprinzip des Kapitalismus – Produktion, orientiert ausschließlich an der Geldvermehrung – macht die Produzenten und Konsumenten gleichgültig gegenüber der Qualität (Marx), und die Schäden werden systematisch ignoriert, weil der „Erfolg“ auch im „privaten“ Bereich eben wieder in Geld gemessen wird. Das ist die „sancta simplicitas“ unserer Zeit. Die konstruierte Wirklichkeit der kapitalistischen Wirtschaftswissenschaft erscheint uns dabei als die einzig reale.

Inzwischen haben wir in der Publizistik fast nur noch die „Finanzkrise“. Schlimmer: Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch noch mehr Wachstum wird auch noch als deren Lösung angesehen – perverser geht’s nicht. Diese Wahrnehmung der Welt sieht die biologisch-physikalische Wirklichkeit („Wirklichkeit erster Ordnung“) als Manipulationsmasse an. Dummerweise ist die aber nicht manipulierbar, auch nicht mit den tollsten Technologien, denn: „An unendliches Wachstum in einer endlichen Welt glauben nur Verrückte und Ökonomen“ (Kenneth Boulding). Insofern: Weiter den Finger genau in diese Quelle des Irrsinns legen, und das noch viel deutlicher und lauter als bisher! WOLFGANG NEEF, Berlin

Verjährungsfrist abschaffen

■ betr.: „Vielen ist Schlimmes passiert“, taz vom 20. 3. 10

Ich habe mit Erstaunen gelesen, dass Thomas Schlingmann meint, dass Frauen nach Beendigung des sexuellen Missbrauchs meist darüber reden können. Leider ist das nicht der Fall, zumindest nicht bei den Opfern, die in der frühen Kindheit missbraucht wurden. Da habe ich die Erfahrung gemacht, dass es oft, wie bei Männern auch, Jahrzehnte dauert, bis darüber gesprochen werden kann. Missbrauchte Frauen haben die Tendenz, sich selbst zu verletzten und/oder sich sehr viel gefallen zu lassen, da sie ihre Grenzen und oft auch ihren Körper nicht spüren, wahrnehmen. Der Satz: „Bei Mädchen verstärkt es die Rollenzuweisung, wenn sie Opfer werden“, ist leider allzu wahr. Die dahinterstehende Haltung ist wohl auch ein Grund dafür, dass Missbrauch immer noch als „Vergehen“ geahndet werden kann und nicht als Straftat. Wer will schon starke, selbstbewusste Frauen, die sich spüren und Nein sagen können. Das würde das Leben ja kompliziert machen.

Die Verjährungsfrist sollte abgeschafft werden, damit Opfer zu ihrem Recht kommen und Täter hoffentlich abgeschreckt werden und sich Hilfe holen, bevor sie Täter werden. Wir müssen diesen Teufelskreis durchbrechen! MAUD SPARK, Zossen

„Sag’s bloß nicht der Mutti!“

■ betr.: „Ich war seine Gummipuppe“, taz vom 24. 3. 10

Dieses Bild von der Frau mit dem Reißverschluss anstelle des Mundes. Das bin ich! Ich konnte meinen Blick kaum abwenden. Besser hättet ihr das lebenslange Schweigen gar nicht darstellen können. Bei mir verursacht vom Vater mit dem Satz: „Sag’s bloß nicht der Mutti!“ Und dieser Satz wirkt bis heute, lässt mich oftmals in allen Bereichen meines Lebens den Mund halten, hindert mich. Bis heute, 40 Jahre danach.

Eine Verlängerung, noch besser Aufhebung der Verjährungsfristen, würde nichts ändern an dem, was passiert ist. Aber, und das ist wichtig: Eine klare Aussage des Gesetzgebers und der Gesellschaft, dass Missbrauch ein Verbrechen ist, das niemals verjährt, würde Anerkennung des Leids, unendliche Wiedergutmachung und somit Heilung bedeuten. Bislang habe ich immer nur die Erfahrung gemacht, dass Missbrauch eigentlich niemanden wirklich interessiert. Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben …

Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt