Runder Tisch gegen Missbrauch

BUNDESREGIERUNG Das Bundeskabinett macht die ehemalige SPD-Familienministerin Christine Bergmann zur Missbrauchsbeauftragten und einigt sich auf einen runden Tisch

„Die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs ist ein wichtiges Thema“

VON SABINE AM ORDE

Als Reaktion auf die zahlreichen Fälle sexuellen Missbrauchs an kirchlichen Einrichtungen und Schulen, die in den vergangenen Wochen bekannt geworden sind, hat das Kabinett am Dienstag die frühere Familienministerin Christine Bergmann (SPD) zur unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für sexuellen Missbrauch ernannt. Bergmann soll Ansprechpartnerin für Missbrauchsopfer sein und Empfehlungen für Hilfen an die Opfer erarbeiten. Zudem wird ein ressortübergreifender runder Tisch eingesetzt. Er soll die bekannt gewordenen Fälle aufarbeiten und Maßnahmen erörtern, um künftigen Missbrauch zu verhindern.

Zum runden Tisch gehören zwei Arbeitsgruppen zu den Themen Prävention und juristische Aufarbeitung unter der Leitung von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) beziehungsweise Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Ziel sind Selbstverpflichtungen über klare Verhaltensregeln zum Umgang mit Missbrauch. Außerdem wird beraten, wie Eltern, Lehrerinnen und Erzieher für Missbrauchsfälle sensibilisiert werden können. Dabei soll es auch um mehr Programme für mögliche Täter gehen, sagte Schröder. Leutheusser-Schnarrenberger betonte: „Die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs ist ein wichtiges Thema.“ Sie will erreichen, dass die katholische Kirche und andere Einrichtungen bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten.

Der runde Tisch, den Schröder, Leutheusser-Schnarrenberger und Bildungsbildungsministerin Annette Schavan (CDU) gemeinsam leiten sollen, wird seine Arbeit am 23. April aufnehmen. „Wir haben uns vorgenommen, bis Ende des Jahres fertig zu sein“, sagte Schröder.

Vor dem Kabinettsbeschluss hatte es Streit über den Ansatz zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gegeben. Leutheusser-Schnarrenberger hatte verlangt, dass es vorrangig um die Fälle in der katholischen Kirche gehen solle. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte deshalb seine Teilnahme verweigert. Schröder und Schavan kündigten daraufhin einen eigenen runden Tisch mit dem Schwerpunkt Prävention an. Einladungen sind bereits rausgegangen.

Der Teilnehmerkreis soll nun aber erweitert werden. Schavan betonte, Organisationen, die sich seit Langem mit sexuellem Missbrauch in der Familie beschäftigen, müssten vertreten sein. Auch einer der Verbände, die wie Wildwasser oder Zartbitter aus der Frauenbewegung entstanden sind, solle dabei sein, so Schavan. Leutheusser-Schnarrenberger will Verbände aus der Rechtspflege zum runden Tisch laden.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte die Maßnahmen der Bundesregierung als unzureichend und forderte erneut eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. „Der Staat hat versagt“, sagte Künast. Umso mehr könne jetzt nicht ein runder Tisch installiert werden, „der nur folgenlos redet.“

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