Verzerrte Pixelcluster

Ein kollabierter Scanner brachte Mike Weisser das „digitale Rauschen“ nahe. Die Ergebnisse dieser Inspiration sind ab heute im Bremer Medienhaus zu sehen

Manche Künstler inspirieren sich am Meeresrauschen, Michael Weisser hingegen liebt es digital. Immerhin ist er der Erfinder der „Bremer Tage der Computerkultur“, war Gastprofessor an der hiesigen Hochschule für Künste und schrieb schon Anfang der Achtziger in Suhrkamps „Phantastischer Bibliothek“ den Roman „Syn-Code-7“, der „die revolutionären Kräfte“ der digitalen Medien thematisiert. Wie aber fing es bei ihm an zu rauschen? In dem ein kaputter Scanner eine aberwitzig gefleckte Seite produzierte, statt die gewünschte Abbildung des Logos der österreichischen „Ars Electronica“, für die Weisser eine neues Design entwickeln sollte.

„Das Rauschen wurde zum Programm“, sagt Weisser rückblickend, denn die verzerrten Pixelcluster hätten ihn nicht losgelassen. Barbara Nierhoff, Kuratorin an der Bremer Kunsthalle, erkennt in den seither entstandenen Werken besondere Qualitäten: Das Virtuelle werde durch sie „unmittelbar greifbar“, geradezu gebändigt. Andererseits gelte: „Die digitalen Daten haben sich hier einen autonomen und abstrakten Weg gebahnt.“

Wie sieht eine solche Dialektik aus? Die Werkserie „Digitale Textur“ erfasst die ästhetischen Varianten eines Pixel-Chaosfeldes, mit ihr wurden Objekte und Leinwände überzogen. Die Textur wurde gefaltet, zerrissen, geschnitten und geknäuelt. Das so entstandene Oeuvre hat bereits Eingang in den Kunstkanon gefunden: 2001 spendete Weisser seine „Computerkunst“ der Kunsthalle und gab damit die Anregung, das traditionsreiche Kupferstichkabinett (derzeit mit Rembrandt bestückt – siehe obigen Text) „in das 21. Jahrhundert der digitalen Clones und Algorithmen“ fortzuschreiben. HB

„Blättern>knäulen>falten>reißen“: Medienhaus Bremen, Schwachhauser Heerstr. 78, Eröffnung heute 19 Uhr