PATTI VS. HELENE
: Versetzt

Jagger hatte ihm das White Trash verleidet

Biene überlegte, ob spannende Kunst wirklich eine Angelegenheit toter Männer war, wie sie gelesen hatte. Oder verhielt es sich umgekehrt? Aber das war Nonsens. Das Warten macht einen ganz blöde. Vor allem in der Feinbäckerei in der Vorbergstraße, wo es üblich war, dass die Männer Schupfnudeln und die Frauen Maultaschen aßen. Der Bürostammtisch gegenüber hielt sich auch brav daran. Arme Biene, sie würde heute ohnehin alleine essen müssen.

Manni hatte sie eigens an diesen exotischen Ort bestellt, weil der doofe Helmut Dietl und der Adidas-Botschafter Benjamin von Stuckrad-Barre ihm das Grill Royal endgültig verleidet hatten, wie zuvor Mick Jagger das alte White Trash und Armin Boehm und seine Leute das alte Bergstüb’l.

Und dann griff Manni im Wartezimmer bei Dr. Marwan zu einem älteren ZEITmagazin. Ein Riesenfehler. Jürgen Tellers Kommentare zu seinen eigenen Fotos las Manni ja schon lange nicht mehr. Die Bilder waren toll, doch was dem Künstler an machistischem Dumpfgebrumme dazu einfiel, war so hohl, dass die Fotos davon direkt angefault wurden und man sie nur noch verbrennen konnte.

Zu allem Überfluss hatte der ZEITmagazin-Redaktionsleiter einen Rock-’n’-Roll-Fimmel und musste unbedingt die Ulknudel Patti Smith in New York interviewen. Manni fand Helga Feddersen viel cooler, aber die war leider schon tot. Dass der ZEITmagazin-Redaktionsleiter so bieder und kniefällig dahertexten durfte und keiner es redigierte, war crazy. Und warum musste er dazu in die Staaten reisen? Die kleine Hegemann war zehnmal mehr Rock ’n’ Roll als Patti Bohnenstange. Und sie lebte hier und jetzt. Das war an dem Redaktionsleiter vorbeigesaust. Als Dr. Marwan mit ihm fertig war, radelte Manni nach Hause und legte sich schlafen. Die Schupfnudeln hatte er ganz vergessen und Biene auch. SASCHA JOSUWEIT