Straßenschlacht um einen Staudamm

Die Gemeinden am mexikanischen Río Papagayo sind gespalten: Die einen erhoffen sich von dem neuen Staudamm Arbeit, die anderen fürchten die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen und hoffen auf das Urteil eines „Wassertribunals“

MEXIKO-STADT taz ■ In den Gemeinden rund um den südmexikanischen Río Papagayo herrscht Unruhe. Und das schon ziemlich lange. Genau genommen, seit sich vor drei Jahren die Pläne der Nationalen Stromkommission (CFE) konkretisierten, in der Region im Bundesstaat Guerrero das Wasserkraftwerk „La Parota“ zu bauen. Der dafür notwendige Stausee würde etwa 17.000 Hektar Land überfluten, rund 25.000 Menschen müssten ihr Land verlassen. Am Río Papagayo leben überwiegend Bauern, die Kokosnüsse, Wassermelonen, Zitronen, Mangos oder Mais anbauen. Deren Lebensgrundlage würde zerstört – genauso, wie viele unter Naturschutz stehende Pflanzen vernichtet würden.

Deshalb gründeten Bewohner aus der Gegend nahe der Touristenmetropole Acapulco bereits im Januar 2003 die Bürgerinitiative Cecop. Sie wollen das Megaprojekt verhindern.

Aber auch die andere Seite blieb nicht untätig. CFE-Vertreter versprachen den Bauern Arbeit und ein ebenbürtiges Zuhause an einem anderen Ort. Für den Bau des neuen Staudamms am Río Papagayo brauche man 5.000 Arbeiter, informierte die Behörde und pries zudem neue Schulen, Sportplätze, Friedhöfe und Kirchen an, die im Gegenzug gebaut werden sollen.

Nicht zuletzt diese Versprechungen führten dazu, dass das Zusammenleben in den 36 betroffenen Gemeinden zur Hölle geworden ist. Befürworter des Kraftwerks, die sich mit Entschädigungszahlungen zufrieden geben, liefern sich teilweise gewalttätige Auseinandersetzungen mit La-Parota-Gegnern. Bereits drei Menschen – ein Staudamm-Fürsprecher sowie zwei Cecop-Aktivisten – wurden umgebracht. Im Dezember 2004 rief amnesty international zu einer urgent action auf, nachdem dem Cecop-Leiter Marco Antonio Suástegui Muñoz mehrfach mit dem Tod gedroht worden war.

„Für die Spaltung der Gemeinden sind die CFE und ihr Projekt verantwortlich“, kritisiert Eugenia Cruz Galeana, die Witwe eines der Ermordeten. Die Bürgerinitiative wirft den Behörden vor, sich mit unlauteren Mitteln die Zustimmung der Bevölkerung für das Kraftwerk zu erheischen. Auf Gemeindeversammlungen halte man die Kraftwerksgegner gezielt fern, kritisiert die Cecop. So beispielsweise im Dezember in der Stadt Tierra Colorado. Dort hatten die Anwesenden nach nur 15 Minuten einstimmig für den Bau gestimmt. Rund 300 Polizisten sperrten zur gleichen Zeit die Zufahrtswege, um die Opponenten von der Versammlung fern zu halten. Es kam zu Straßenschlachten, mindestens acht Personen wurden verletzt.

Wenige Wochen später gab das für Landstreitigkeiten zuständige Agrargericht der Cecop Recht: Die auf der Versammlung erzielte Zustimmung sei nicht rechtskräftig. Nach dieser Entscheidung sei es noch deutlicher, dass „die Mehrheit der von diesem Megaprojekt betroffenen Bauern mit der Enteignung nicht einverstanden sind“, reagierten zwölf mexikanische Umweltorganisationen in einer gemeinsamen Erklärung.

Das Projekt nütze nicht der Bevölkerung, sondern solle Strom für Weltmarktfabriken und die Tourismusindustrie liefern, kritisiert das Zentrum für politische und wirtschaftliche Studien (Ciepac).

Nach Angaben der CFE soll La Parota die Energieversorgung von Acapulco für 40 Jahre garantieren und mit einem weiteren geplanten Kraftwerk ab 2014 ein Zehntel der gesamten Stromkapazität Mexikos produzieren.

Nun drängt die Zeit: Im Oktober will die CFE mit dem Bau beginnen. Seit gestern machen sich zahlreiche Staudammgegner nach Mexiko-Stadt auf, um an den Aktionen gegen das Weltwasserforum teilzunehmen. Morgen beschäftigt sich das lateinamerikanische Wassertribunal mit dem Fall, am Montag soll das Gremium sein Urteil bekannt geben. Für die rebellierenden Bauern am Río Papagayo sind diese Tage ein Hoffnungsschimmer: Kann das Tribunal helfen, „La Parota“ doch noch zu stoppen? WOLF-DIETER VOGEL