Kulturelle Teilhabe, homöopathisch dosiert

DABEI SEIN Rund 1.000 Mal im Jahr wird das stark verbilligte „Kulturticket“ von Empfängern von Transferleistungen genutzt: zehn Mal mehr als zu Beginn, aber immer noch viel zu wenig

Zwischen Februar 2011 und Ende 2012 nutzten nur 238 Menschen die neue Möglichkeit des Kulturtickets, Karten vorab zu bestellen

Das Kulturticket, das unter anderem Hartz-IV-EmpfängerInnen stark verbilligten Eintritt in Konzerte und Theateraufführungen ermöglicht, ist nach Ansicht des Senats erfolgreich. Es existiert seit 2010 und ermöglicht zu einem Pauschalpreis von drei Euro den Eintritt in derzeit 13 Bremer Kultureinrichtungen.

Auf Anfrage der CDU hat der Senat nun Nutzungszahlen veröffentlicht: Im Vergleich zu 2010 habe sich die Zahl der Kulturtickets verzehnfacht. Allerdings basiert diese Steigerung auf einem außerordentlich geringen Ausgangswert: Gerade 100 Mal wurde das Kulturticket im ersten Jahr seines Bestehens genutzt. Derzeit wird es also, statistisch gesehen, von nicht einmal drei Menschen pro Tag in Anspruch genommen.

Diese 1.000 Nutzungen pro Jahr sind angesichts der großen Zahl der Berechtigten ein äußerst geringer Wert. Jede Person, die im Besitz einer Grünen Karte, ist, kann Kulturtickets erwerben. Grüne Karten geben die Jobcenter und Sozialzentren nicht nur an Hartz-IV-BezieherInnen aus, sondern auch an EmpfängerInnen aller anderen Transfer-Leistungen wie etwa Asylbewerber.

Dabei stellte die im Februar 2011 vorgenommene Überarbeitung des Kulturticket-Systems bereits einen wesentlichen Fortschritt dar. Bei seiner Einführung war es ein reines Restkarten-Modell: Eine halbe Stunde vor Beginn einer Vorstellung konnte man sich an der Abendkasse anstellen und auf übrig bleibende Karten hoffen. Nun können Veranstalter feste Kulturticket-Kontingente ausweisen, die bereits vorab gebucht werden können. Dies verhindert, wie das Kulturressort betont, eine soziale Stigmatisierung der NutzerInnen. Die Reservierung wird in Bürgerhäusern und Stadtbibliotheken vorgenommen.

Dieser „elegante“ Weg ist den potentiellen NutzerInnen allerdings wenig präsent: Zwischen Februar 2011 und Ende 2012 wurde er nur 238 Mal genutzt. Liegt das an mangelnder Werbung? Das Kulturressort verweist auf „Plakate, Flyer und kleinteiliges Werbematerial“, das im Zuge des Aufbaus der Homepage www.kulturticket.bremen.de verteilt worden sei. In Jobcentern, der Volkshochschule und den Bürgerhäusern werde regelmäßig auf das Angebot hingewiesen. Auf zentralen Plattformen wie dem städtischen Portal bremen.de wird das Kulturticket allerdings nicht eben prominent beworben.

Betrachtet man die Statistiken der einzelnen Einrichtungen, zeigen sich erhebliche Unterschiede. Die Schwankhalle hat mit genau 431 im Jahr 2012 verkauften Kulturtickets bei insgesamt 21.252 BesucherInnen den mit hohem Abstand größten Anteil. Zur Deutschen Kammerphilharmonie trauten sich derweil nur fünf Kulturticketler. Dass dies keineswegs nur ein Gefälle zwischen „Hoch“-und Breitenkultur markiert, zeigt der Vergleich zwischen Schwankhalle und Schlachthof: Letzterer setzte, bei insgesamt fast fünfmal so vielen Besuchern wie die Schwankhalle, gerade mal zehn (10) Kulturtickets um. Bleibt zu hoffen, dass sich der Senat mit der von ihm als „stabilisiert“ bezeichneten Nutzung des Kulturtickets täuscht.  HENNING BLEYL