„Die Verödung ist schon dramatisch“

Mecklenburg-Vorpommern lockt junge Wegzügler mit Jobs und Kontakten zurück. Projektleiterin Ohse erklärt, wie

taz: Frau Ohse, Ihre Agentur versucht, abtrünnige Landeskinder zurückzuholen. Wie?

Sabine Ohse: Zunächst halten wir Kontakt zu Menschen, die sich entschließen wegzuziehen. Sie können sich bei uns anmelden, wir informieren sie per Newsletter über Politik, Wirtschaft und Kultur in ihrer Heimat. Aber wir sprechen natürlich auch gezielt Wegzügler an.

Voraussetzung dafür ist, dass Sie einen guten Job anbieten können, oder?

Klar. Ohne das passende Jobangebot geht nichts. Deshalb sammeln wir in einer Datenbank offene Stellen – vor allem Führungskräfte und Ingenieure sind durchaus gesucht. Aber wir knüpfen für Rückkehrer auch Kontakte zu Behörden, zur Arbeitsagentur oder zu Wirtschaftsförderungsgesellschaften. In Einzelfällen geht das so weit, dass wir bei einem verheirateten Ingenieur auch für dessen Frau nach einem Job suchen und über die Grundschule um die Ecke informieren.

Wie sieht Ihre Erfolgsbilanz aus?

2005 konnten wir 51 Arbeitnehmer, darunter viele Führungskräfte, zurückholen. Dieses Jahr werden es mehr werden, schon jetzt liegen wir bei 21.

Das ist nicht gerade viel – Ihre Agentur hat sechs Mitarbeiter und ein Jahresbudget von 300.000 Euro.

Das sehe ich anders. Ein Beispiel: Im Moment sind uns sieben rückkehrwillige Ärzte gemeldet. Wenn Sie sich den dramatischen Ärztemangel in Vorpommern anschauen, ist jeder Rückkehrer wertvoll wie Goldstaub.

Welche Folgen hat die Abwanderung für Mecklenburg-Vorpommern?

Leider ziehen vor allem junge Menschen weg, der Arbeit hinterher. 60 Prozent davon sind Frauen. In manchen Landstrichen ist die Verödung schon dramatisch. Ärzte fehlen, aber auch Schulen, Kneipen, alles, was ein Dorfleben charakterisiert. 1990 lebten noch 1,9 Millionen Menschen in unserem Bundesland, jetzt sind es 1,7 Millionen. Und 2020 werden es nur noch 1,5 Millionen sein.

Profitiert das Land von Ballungsräumen wie Hamburg oder Berlin?

Sehr. Rund 12 Prozent der hiesigen Arbeitnehmer mit sozialversicherungspflichtigem Job sind Pendler. Dabei gilt das Modell: Arbeiten woanders, Leben in Mecklenburg-Vorpommern.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE