Der Rest ist Schweigen

NACHRUF Elisabeth Noelle-Neumann ist gestorben

Ihr grüner Karmann Ghia stand schon vor fünf Jahren eher unbenutzt auf seinem Parkplatz in Allensbach am Bodensee. Elisabeth Noelle-Neumann hatte sich rar gemacht in den letzten Jahren. Schon 1988 hatte sie ihre enge Mitarbeiterin Renate Köcher als Mitgeschäftsführerin in ihr „Institut für Demoskopie“ geholt und ihr seit Ende der 1990er-Jahre weite Teile des Alltagsgeschäfts überlassen.

Alert, interessiert und streitbar war Noelle-Neumann aber fast bis zuletzt, als Journalistin wie Wissenschaftlerin. Wer sich mit ihrer persönlichen Biografie, ihrem Studienaufenthalt in den USA 1937/38 und ihrer darauf folgenden Tätigkeit für Goebbels Bildungsbürgerblatt Das Reich beschäftigte, bekam schnell Kontakt: Akribisch versuchte sie, ihre Version der Geschichte zu untermauern und jegliche Vorteile, die sie im NS-Regime angeblich genossen hatte, zu dementieren.

Genutzt hat ihr vor allem der US-Aufenthalt: Die neuen Methoden von Demoskopie und Meinungsforschung, die sie dort kennenlernte, bildeten die Grundlage für ihr Institut wie für ihre Wirkung in Wissenschaft und Journalistenausbildung: Die „Mainzer Schule“ und die in konservativen Kreisen bis heute gern bemühte Sicht, „die Medien“ seien per se eher „links“, gehen auf ihr Konto. So undifferenziert wie derartige Schlagworte war Noelle-Neumann aber nicht. Gestern ist sie mit 93 Jahren gestorben. Sie hat eine kleine Schweigespirale verdient. STG