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Chapeau und herzlichen Glückwunsch, liebes @! Kein Symbol hat in den letzten Jahren eine solch steile Karriere hingelegt. Dabei hat es sich jahrhundertelang dezent im Hintergrund gehalten. Im sechsten Jahrhundert soll es bereits als bescheidenes Kürzel für das lateinische Wort ad – auf deutsch: an, zu, bei – hergehalten haben. Später, im 16. Jahrhundert, tauchte es als Maßeinheit „Amphore“ in Venedig auf, ließ sich dann im 19. Jahrhundert als Stückzahlpreis – wie bei uns das à – in Amerika verwenden und sprang hundert Jahre später ganz zeitgeisty auf den New-Economy-Zug auf. 1971 verschickte der Elektoingenieur Ray Tomlinson die erste E-Mail. Als Trennzeichen zwischen Name und Herkunftscomputer des Absenders entschied sich Tomlinson zufällig für das fast in Vergessenheit geratene @. Ein folgenschwerer Entschluss. Seitdem hat sich das sympathische Klammeräffchen, wie es hierzulande liebevoll genannt wird, unentbehrlich gemacht. Es verbindet Menschen auf der ganzen Welt. Jetzt ist ihm dafür eine besondere Ehrung zuteil geworden: Das Museum of Modern Art in New York hat es in seine Sammlung „Architecture and Design Collection“ aufgenommen. Es sei in seiner Form und Funktion von einer „außergewöhnlichen Eleganz und Schlichtheit“. In einer Presseerklärung gab das Museum zwar zu, dass man ein Symbol materiell nicht vereinnahmen könne. Auch lässt sich niemand ausfindig machen, der die Lorbeeren für das Design ernten könnte. Aber egal: In Zeiten von geistigem Diebstahl und hegemannschem Ideenschwindel ist die Urheberschaft gar nicht mehr wichtig. Die Bedeutung wird durch die Massen verliehen. Und da kann sich das @ wahrhaft etwas einbilden: 210 Billionen E-Mails werden Schätzungen zufolge jeden Tag verschickt. Daneben hat es sich auch in Nischen etabliert. In Spanien und Lateinamerika ist es das Pendant zum deutschen Binnen-I. Amigos und amigas wird zu amig@s und hilft so, Diskriminierung und Sexismus zu bekämpfen. In Chatrooms und Kommentarfeldern nimmt man das @, um auf einzelne User Bezug zu nehmen. Seine Popularität lässt sich an den zärtlichen Tiernamen ablesen, die ihm allerorts gegeben werden. Kätzchen (Polen), Mäuschen (China), Schnecke (Italien), Schweineschwanz (Norwegen), Elefantenohr (Island) oder auch Strudel (Israel) – die ganze Welt verbindet das @ mit etwas Süßem. Nur in Bosnien nennt man es „das irre a“. Könnte schon sein, dass dem kleinen Schlingel der Rummel bald zu Kopf steigt. SNY