Blutwurst ist schuld

Filmemacher Peter Kern verzichtet gern auf Weihnachten. Das Ergebnis ist ein schneller Viertelpfünder-Trash über zwei Bungee-Jumper ohne Seil

AUS DÜSSELDORFPETER ORTMANN

Es gibt eine geheimnisvolle Verbindung zwischen Kindern, Hühnern und Blutwurst. Alle zusammen sind sie heute meistens wohl ungeliebt und werden deshalb immer häufiger missbraucht. Der österreichische Schauspieler, Filmemacher und doppelter Bundesfilmpreisträger Peter Kern schändet in seinem neuen Film natürlich nur die Hühner und die Wurst. Versteht sich. Den Kindern hilft er auf die Sprünge – quasi aus der tödlichen Donau zurück ins lautlose Leben einer übersexualisierten Gesellschaft. Natürlich nur, wenn der Zuschauer den Gedanken des Regisseure folgen kann.

Kern stellte seinen digitalen 75-Minuten-Trashfilm „Donauleichen“ (Österreich, 2005) im Düsseldorfer Black Box persönlich vor. Warnte die durchweg älteren Besucher brav vor: „Schauns sich das brutale Filmchen erst mal an, herfallen können sie über mich hinterher noch“. Zur Auflockerung dann noch schnell ein Anekdötchen. In Leipzig sei die Mutter der Hauptdarstellerin zum Kotzen rausgelaufen, der Vater habe aber applaudiert. Viele in dem Filmkunstkino lachen noch gequält, der Wiener Spaßvogel grinst, das Schweigen der Lämmer bricht herein, als Bastis zugeschissene Unterhose bildfüllend den Appetit aufs mitgenommene Freibier verdirbt.

Brachial erzählt Kern, der den Film passend über das Weihnachtsfest fast nur in einer Wiener Lagerhalle gedreht hat, eine Liebesgeschichte. Monströs wirken die Erwachsenen, die ihre Sprösslinge lieber als willfährige Lust-Gegenstände behandeln. Zerbrechlich dagegen die Opfer, die sich dauermissbraucht kontaktarm kaum noch wehren können und deshalb erst zufällig suizidal auf der Wiener Reichsbrücke aufeinander treffen. Beide sehen im anderen das eigene Spiegelbild und finden so die Kraft zur brutalen Veränderung der Verhältnisse.

Die Bildersprache von Kern ist nicht neu, der Realismus einer gebrauchten Unterhose, deren Geruch Basti als Schutzwall vor gierigen Männern benutzt, auch nicht. Dennoch ist es die durchgehende Qualität des undefinierbaren Ekels, der den No-Budget-Film zu etwas Besonderem macht. Wie mit dem Fleischermesser legt der Regisseur mit seinen beiden traumhaft gecasteten Hauptdarstellern die wirklich zählenden Gefühle der jungen Menschen frei und das rettet sie auch – trotz der elterlichen Leichen sterben Claudia und Basti (Marie Miklau und Christian Blümel) nicht den Gefühlstod.

Der rein digitale Film hat eine wunderbare artifizielle Ausstattung. Kein Wunder, Jakob Neulinger und Peter Baur sind Studenten bei Erich Wonder an der Wiener Kunstakademie. „Und das ist der König der Bühnenbilder“, sagt Kern. Er widmete die Donauleichen der Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die sich sogar schriftlich bedankte: „Sehr schön trashig, aber eben noch was andres auch, das zu Herzen geht. Hat mir gut gefallen.“ In Düsseldorf hielt das Schweigen der Lämmer auch nach dem Abspann noch an. Die Masse Kern stand zum Kampf bereit. Doch außer dummen Sprüchen von Sozialpädagogen: „Ich fand das war wie Schülertheater“ und einer völlig verwirrten älteren Dame: „Wieso hing da eine Leiche in der Metzgerei?“ fand der angriffslustige Regisseur niemanden, gegen den er sich verteidigen musste. „Normale Menschen interessieren mich nicht“. Peter Kern humpelte am Stock aus dem Kino. „Nicht das sie denken ich sterbe, ich habe nur eine neue Hüfte“, murmelt er.

Bis Mittwoch täglich 21:45 UhrBlack Box, DüsseldorfInfos: 0211-8992490