Wie hältst du’s mit dem Okzident?

Junge Araber beschreiben in Interviews ihr Bild vom Westen. Die Galerie delta 35 in Mitte präsentiert die manchmal überraschenden Statements in einer Ton-Bild-Installation

„Manche hier sind aufgeschlossener und besser gebildet als die Menschen im Westen“

Es sieht so aus, als ob die Rede vom „Kampf der Kulturen“ nicht so schnell endet. Im Streit um die Mohammed-Karikaturen wurde wieder viel über kulturelle Differenzen zwischen Ost und West geredet. Doch aus Sicht arabischer Jugendlicher haben Okzident und Orient viele Gemeinsamkeiten. In dem Interviewprojekt „Was hältst du vom Westen“, das derzeit in einer Berliner Galerie zu sehen ist, schildern sie ihre Sicht auf Europa und die USA.

Sara al-Huwais glaubt nicht an den Kulturkonflikt. Die 21-jährige Grafikdesignerin lebt in Dubai. „Das Meiste, was wir vom Westen denken, ist nicht negativ. Ich hoffe, der Westen hat nichts gegen uns.“ Von Gleichaltrigen berichtet sie, wie sie mit westlichen Einflüssen experimentierten, die in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate allgegenwärtig seien. Al-Huwais ist eine von 20 jungen AraberInnen, die die Fotografin Bärbel Möllman und die Journalistin Julia Gerlach interviewt haben. In Dubai, dem New York des Nahen Ostens, trafen sie Palästinenser, Iraker und Jordanier. Viele Araber zieht es auf der Suche nach besseren Perspektiven dorthin.

Nach dem Zufallsprinzip sprachen Möllman und Gerlach Leute an. Offen und neugierig hätten die Befragten reagiert, berichtet Möllmann. „Sie waren genauso interessiert an uns wie wir an ihnen. Vor allem wussten sie sehr gut über den Westen Bescheid, besser jedenfalls, als viele Europäer Arabien kennen.“ Neun der Gespräche sind jetzt in einer audiovisuellen Installation in der Galerie delta 35 in der Auguststraße zu hören. Neben Fotos der Befragten erfährt man über Kopfhörer, wie das Leben von Doraid, Ahmed oder Sara aussieht. Oder was sie Menschen antworten würden, die glauben, dass Araber den Westen hassen.

Die Fotografin porträtierte die Jugendlichen mit einer Lochkamera, deren lange Verschlusszeiten ihnen einen Moment des Innehaltens abverlangten. Das erzeugt eine intensive Präsenz. Die Unschärfe der Bilder entzieht das äußere Erscheinungsbild des Menschen der Eindeutigkeit. Beim Zuhören spricht einiges dafür, dass Sara al-Huwais nicht ganz Unrecht hat mit ihrer Befürchtung. Über die Medien „bekommen Sie nur die schlechten Seiten von uns zu sehen“.

Aber glauben denn Europäer, „dass die Araber noch auf Kamelen reiten und in Zelten wohnen“? Das vermutet zumindest Ahmed Amin. Für den 1974 geborenen Iraker markiert der 11. September 2001 eine Zäsur, die den Blick des Westens auf den Orient verändert habe. „Im Westen glauben sie nicht, dass wir manchmal aufgeschlossener und besser gebildet sind als sie.“

Aus den Bildern und O-Tönen entsteht eine Begegnung mit Menschen, die man sich vielleicht ganz anders vorgestellt hat. Dass der Einzelne mit seiner Geschichte im Mittelpunkt steht, ist die besondere Stärke der Ausstellung. JÖRG BRAUSE

Die Ausstellung in der Galerie delta 35 (Auguststraße 35) endet am 13. April