„Den Erfolg ernten andere“

Kaum einer kennt OLAF, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung. Die Kluft zwischen den Forderungen und der Realität ist groß – jetzt kann die Behörde aber zeigen, was sie zu leisten vermag, sagt Amtschef Franz-Hermann Brüner

taz: Herr Brüner, als Betrugsbekämpfer macht man sich nicht nur Freunde. Ist das der einzige Grund, dass Ihre Wiederwahl so lange auf der Kippe stand?

Franz-Hermann Brüner: Nicht jeder hat ein Interesse daran, dass OLAF reibungslos funktioniert. Außerdem werden ganz unterschiedliche Erwartungen an das Amt gestellt: Die einen wollen uns so schnell wie möglich durch einen Europäischen Staatsanwalt ersetzen. Andere verlangen, dass wir uns nur auf interne Fälle konzentrieren. Manche hätten am liebsten, dass gar nichts passiert, um daraus politisches Kapital zu schlagen – das erklärt, warum einem, der das aufgebaut hat, das Weitermachen erschwert wird.

Nehmen die gleichen Leute, die ein starkes OLAF fordern, einfach hin, dass in der Behörde ein volles Jahr lang nicht richtig gearbeitet wird?

In Europa ist die Kluft zwischen Forderung und Wirklichkeit besonders groß. Und die Konstruktion ist besonders vertrackt. Hätte es jetzt schon wieder einen Wechsel gegeben, hätte das weitere zwei Jahre Stillstand zur Folge gehabt. Bei unserer Arbeit ist Vertrauen besonders wichtig – gerade weil die Strukturen noch nicht gefestigt sind. Wenn bei einer deutschen Staatsanwaltschaft der Chef wechselt, dann läuft die Behörde trotzdem weiter. Bei OLAF ist das noch nicht so.

Gilt das für alle übernationalen Organisationen?

Internationale Organisationen sind immer viel fragiler als eine nationale Behörde, die auf 300 Jahre Tradition oder mehr zurückblickt und wesentlich gefestigter ist. OLAF hat Mitarbeiter aus 25 Mitgliedstaaten, jeder mit einer anderen Sprache, einem anderen historischen Hintergrund. Das muss zusammenwachsen. Wir müssen eine eigene Untersuchungsphilosophie entwickeln, die das zusammenführt. Wir haben ein eigenes Ermittlungshandbuch entwickelt – das muss vom Papier in die Köpfe.

In der seriösen Presse kommt Ihr Amt fast gar nicht vor, in der Boulevardpresse nur im Zusammenhang mit Pleiten, Pech und Pannen. Wieso hat es OLAF in den vergangenen sieben Jahren nicht geschafft, ein positives Image aufzubauen?

OLAF stellt Fakten fest und gibt die Ermittlungsergebnisse dann weiter. Den Erfolg ernten also andere. Wenn ich nach jedem Containeraufgriff, der uns 4 Millionen Euro bringt, bei Ihnen anrufen würde, bräuchten Sie eine eigene Telefonleitung dafür. Warum reden wir also nicht darüber? Weil das nur Mosaiksteine sind. Wenn wir zwei Container in Rotterdam beschlagnahmt haben, dann können wir auf weitere hoffen und haben kein Interesse daran, das an die große Glocke zu hängen.

Die frühere EU-Kommissarin Edith Cresson ist wegen Korruptionsvorwürfen schon vor sieben Jahren zurückgetreten. Erst im Februar hat der Generalanwalt plädiert und die Halbierung ihrer Rentenbezüge gefordert. Warum mahlen die Mühlen der EU so langsam?

Das wirkt nur so, weil die Öffentlichkeit Frau Cresson schon vor sechs Jahren verurteilt hat. Außerdem hängt es mit den europäischen Strukturen zusammen: Als ich im Jahr 2000 anfing, war dieser Fall schon bei der belgischen Justiz. Es hat dann noch einmal vier Jahre gedauert, bis deren Ermittlungen abgeschlossen waren und die Sache ihren Weg zum Europäischen Gericht erster Instanz fand. Aber bei uns geht es auch nicht immer schneller. Wenn ich manchmal die deutschen Zeitungen lese, dann finde ich Fälle, mit denen ich als Abteilungsleiter einer Korruptionsabteilung in München vor zehn Jahren befasst war. Die kommen jetzt zu Gericht.

Ihnen kann nun nichts mehr passieren. Sie sind für eine zweite Amtszeit berufen, eine dritte ist ohnehin nicht erlaubt. OLAF hat seine Aufbauphase abgeschlossen – was machen Sie mit der neuen Freiheit?

Das ist eine Chance, um zu zeigen, welchen Mehrwert OLAF für die weltweite Betrugsbekämpfung haben kann. Das Netzwerk ist aufgebaut, wir haben unsere Mitarbeiterzahl von 380 erreicht. Nun können wir uns zunehmend darauf konzentrieren, auch vorbeugend zu arbeiten und das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass mit EU-Geldern sorgsam umgegangen werden muss. Allerdings muss man sich klar sein, dass es gerade bei Nothilfeprogrammen keine hundertprozentige Kontrolle geben kann. Als Beispiel nenne ich immer die Winterbrand-Hilfe für Serbien während des Kosovokrieges – natürlich sollte damals verhindert werden, dass Diesel für Panzer abgezweigt wird. Wenn Sie das aber völlig ausschließen wollen, dürfen Sie in so einer Situation gar nichts liefern und müssen die Leute frieren lassen. INTERVIEW:

DANIELA WEINGÄRTNER