HALB LEGAL, HALB NACKT
: Du bist mein Klon

Henne hätte nie um Hilfe gerufen in so einer Situation

„27.8.2006“, steht hinter der Datei mit dem Titel „Doppelter Zwilling“. Vor genau sieben Jahren hab ich diese Szene geschrieben. Warum wurde die nie gedruckt?

„‚Halt’s Maul, Mann, du bist mein Klon!‘, grölt ein Junge mit zu großer und zu eng um den Kopf geschnallter Baseballmütze durch das nächtliche Friedrichshain. Einer seiner fünf fast identischen Kumpels ähnelt ihm tatsächlich bis in die Spitzen der millimeterkurzen Haare, die unter der albernen Kopfbedeckung hervorlugen. Henne und ich stehen unschlüssig vor dem halb legalen Club, wo halb nackte Mädchen ihre halbwüchsigen Körper im Rhythmus halbdurchdachter Musik bewegen, während die andere Hälfte der Gäste ihnen dabei zusieht. Irgendwann war auch Henne das zu langweilig. Henne lacht. Die Schirme der Mützen drehen sich wie Wetterhähne in unsere Richtung. Erfreut über die Anteilnahme wanken die fünf zu uns herüber. Der sprechende Zwilling erklärt uns die Vorzüge der doppelten Persönlichkeit: ‚Ist voll praktisch, Mann, der eine geht kotzen und der andere kann weitersaufen.‘ Wir gucken vom einen zum anderen, der wie auf Kommando seinen Mageninhalt am Fuß einer Laterne platziert. Ich quietsche, während der sprechende Zwilling mit seiner Lobeshymne fortfährt: ‚Und beim Sex auch. Wenn der eine nicht mehr kann, ist der andere schon wieder spitz!‘ Ich gucke flehend zu meinem besten Freund, während der Zwilling eindeutig zweideutig mit der Zunge schnalzt. Henne legt den Kopf in den Nacken: ‚Hilfe!‘, schallt es in den Himmel über Berlin.“

Aha. Deshalb, denke ich, wurde das damals nicht gedruckt: der Schluss ist Quatsch. Henne hätte nie um Hilfe gerufen in so einer Situation. Er hätte dableiben wollen und ich nach Hause, das wäre mir peinlich, und ich hätte einen Text geschrieben, von dem ich nicht weiß, wie er enden soll. LEA STREISAND