Ciftlik wehrt sich gegen Verdächtigung

SCHELTE Pressekammer rügt einen Spiegel-Online-Bericht über Hamburgs Ex-SPD-Sprecher Bülent Ciftlik

Das Urteil fällt erst am 7. Mai, doch die vorläufige Beurteilung der Pressekammer des Hamburger Landgerichts ist eindeutig. Danach hat Spiegel Online bei einem im Mai 2009 erschienenen Artikel über den ehemaligen Hamburger SPD-Sprecher Bülent Ciftlik die „Voraussetzungen zulässiger Verdachtsberichterstattung“ kaum erfüllt.

In dem Bericht, der in ähnlicher Form auch in der Print-Ausgabe des Mediums erschienen ist, war Ciftlik aufgrund einer widersprüchlichen Zeitangabe indirekt verdächtigt worden, an dem Diebstahl von rund 1.000 Stimmzetteln beteiligt gewesen zu sein. Die waren im Februar 2007 vor der Auszählung einer parteiinternen Mitgliederbefragung abhanden gekommen, mit der die Hamburger SPD ihren Bürgermeisterkandidaten küren wollte. Die Stimmenklau-Affäre hatte den favorisierten SPD-Landeschef Mathias Petersen um seine Kandidatur gebracht.

Der Kammervorsitzende Andreas Buske bezeichnete Ciftliks Unterlassungsklage beim Erörterungstermin am Freitag als „durchaus aussichtsreich“. Weder die Staatsanwaltschaft noch eine parteiinterne Untersuchungskommission hätten unter Berücksichtigung aller bei Spiegel Online veröffentlichten Fakten Verdachtsmomente gegen Ciftlik ans Licht gebracht.

Trotzdem hätte Spiegel Online „allein den Kläger“ als Verdächtigen präsentiert. Die Berichterstattung sei geeignet, Ciftliks „soziales Ansehen herabzuwürdigen“, die erhobenen Vorwürfe seien „wenig substantiiert“, die „Beweiskraft“ einer angeblichen Zeugenaussage stark „beschränkt“. Mehrfach musste sich Spiegel-Online-Anwalt Sebastian Seelmann-Eggebert Belehrungen des Richters über journalistische Mindeststandards und Sorgfaltspflichten gefallen lassen.

Ciftliks Anwalt Stefan Engels hingegen bewertete den Erörterungstermin als „vollen Erfolg“. Das Gericht sei seiner Argumentation bei der vorläufigen Einschätzung „in allen Punkten gefolgt“. MARCO CARINI