Der Mensch überlebt nur mit Delphin

APOKALYPSE Enki Bilals Comicgeschichte „Animal’z“ erzählt originell vom Zusammenbruch der Zivilisation

Wenn in den Achtzigern von Comics als Kunst geschwärmt wurde, wenn deutsche Fans halb bewundernd, halb neidisch auf die blühende Szene jenseits des Rheins schauten – dann war auch von Enki Bilal die Rede. Der gebürtige Belgrader, Jahrgang 1951, war schon als Kind nach Paris gekommen. Mit Beiträgen für „Pilote“ und Métal hurlant, die seinerzeit wichtigsten französischen Magazine der „Neunten Kunst“, machte er sich früh einen Namen; berühmt wurde er, als der „Valerian“-Texter Pierre Christin für ihn zu schreiben begann. Das Duo verband politisch-zeitkritisches Engagement mühelos mit Elementen des Fantastischen und des Thrillers. Höhepunkt war das 1983 erschienene Album „Treibjagd“, eine Abrechnung mit dem realen Sozialismus, in der sich der Bruch der französischen Linken mit totalitärer Herrschaftspraxis widerspiegelte.

Das ist lange her. Die meisten der frühen Arbeiten Bilals – darunter seine besten – sind bei uns nur noch antiquarisch erhältlich; jüngere Leser kennen ihn kaum. Aber er ist immer noch tätig, oft als sein eigener Szenarist, und sein jüngstes Werk macht deutlich: Der Künstler hat nichts von seinem Talent verloren, auf aktuelle Ereignisse und Ängste zu reagieren.

„Animal’z“ führt in eine Welt, die vom „Blutsturz“ heimgesucht worden ist – so lautet hier die Chiffre für die globale Klimakatastrophe. Die Zivilisation und nahezu alle mit ihr verbundenen Kommunikations- und Transportsysteme sind zusammengebrochen. Im dichten Nebel, der die Welt umhüllt, bietet allein das Meer noch die Möglichkeit, sich einigermaßen sicher über größere Distanzen zu bewegen. Ein früherer Versicherungsvertreter rammt aus Versehen das Boot eines genmanipulierten Elitesoldaten; später treffen beide auf die merkwürdige Familie des genialen Erfinders Ferdinand Owles, dessen „Mutationspacks“ es Menschen ermöglichen, sich vorübergehend in Tiere zu verwandeln. Im hohen Norden versucht die Gruppe, eines der Refugien zu erreichen, die angeblich vom Untergang verschont geblieben sind.

Bilal ist lockerer geworden, sowohl in narrativer wie in zeichnerischer Hinsicht. Er interessiert sich nur bedingt dafür, eine Geschichte zu erfinden. Aus einem größeren Zusammenhang, der in Umrissen kenntlich wird, wird ein Moment herausgegriffen, nicht mehr. Wie und warum es zur Apokalypse gekommen ist; ob es den Reisenden schließlich gelingt, ihr Ziel zu erreichen – das bleibt offen. Dazu passt der skizzenhafte Charakter der Bilder, die mitunter sehr sorgfältigen Vorzeichnungen gleichen. Die Farbpalette ist stark eingeschränkt. Um Veränderungen im Wetter und der Landschaft anzuzeigen, genügen Bilal Nuancen von Blau, Grün und Schwarz; selten kommt ein Rot dazu, hauptsächlich, wenn Blut fließt.

Früher hatte Bilal einen Hang zum Monumental-Statuarischen, der sich als ironische Replik auf den sozialistischen Realismus verstehen ließ, aber auch prätentiös wirken konnte, besonders wenn er sich mit einer aufdringlichen Symbolik verband. In „Animal’z“ ist dies deutlich weniger der Fall. Am schönsten in diesem Album sind zwei kleine, fliegende Robotertiere, ein Seepferdchen und ein Krebs. Wie Bilal sie als zugleich robuste und zerbrechliche Objekte zeichnet – das ist wunderbar anzuschauen und von einer erstaunlichen Zartheit. CHRISTOPH HAAS

■ Enki Bilal: „Animal’z“. Aus dem Französischen von Resel Rebiersch. Ehapa Comic Collection, Köln 2010, 101 Seiten, 24,95 Euro