„Explodierende Störungen“

GENDER-ERZIEHUNG Stevie Schmiedel von „Pinkstinks“ diskutiert über Apartheid im Kinderzimmer

■ 41, promovierte über Feminismus bei Deleuze, ist Mutter zweier Töchter und gegen sexistische Außenwerbung (www.petition-werberat.de).

taz: Frau Schmiedel, Sie haben die Kampagne „Pinkstinks“ in Deutschland initiiert. Was ist denn Ihre Lieblingsfarbe?

Stevie Schmiedel: Das hat mich noch nie jemand gefragt – aber ich habe auch gar keine. Pink mag ich jedenfalls auch. Ich trage sogar bei jedem Vortrag extra etwas Pinkes, um zu zeigen: Pink stinkt nicht, das ist nur eine Farbe. Aber uns stinkt, was die Spielwarenindustrie seit 20 Jahren mit Pink macht: Sie schnürt Mädchen in ein Prinzessinnen-Korsett, während Jungs abenteuerlustig und aktiv sein dürfen.

Seit 20 Jahren? Ist das nicht schon viel länger so?

Wenn Sie sich Fotos aus den 70ern anschauen, da haben die Kinder alle ähnliche Farben an. Und Lego wurde durchaus auch als Spiel für Mädchen vermarktet. Und noch früher war es farblich sogar umgekehrt: Blau als Madonnafarbe galt als tendenziell weiblich, Jungens wurde, angelehnt an Uniformfarben, eher Rot zugeordnet. Aber als das Militär schlammfarben wurde und im Industriebereich die blauen Arbeitsanzüge Einzug hielten, drehte sich das. Wichtig war dann auch die Farbfestlegung durch eine große US-amerikanische Textilfabrik in den 1930er-Jahren. Mittlerweile gilt die doppelte Farbgebung weltweit.

Warum ist es schlimm, zur Prinzessin gemacht zu werden?

Die Gender-Apartheid im Kinderzimmer nimmt Mädchen die Möglichkeit, ihre Aggressionen auszuleben. Das führt zu Auto-Aggressionen wie dem Ritzen. Auch Essstörungen sind in den letzten zehn Jahren geradezu explodiert. Die Pinkifizierung verhindert, dass Mädchen eigene Körperbilder und eine unabhängige Selbstachtung entwickeln.Interview:
HENNING BLEYL

Vortrag und Diskussion: 18 Uhr, Forum Kirche, Hollerallee 75