Ein paar Fotos mehr für die Bilderflut

ARCHIVARBEIT Im Georg-Kolbe-Museum macht man gerade das Werk des Bildhauers für das Internet-Zeitalter fit. Ziel des Projekts „Kolbe digital“ ist eine Sichtbarmachung des Archivs – zugucken kann man bei der Arbeit auch

■ Die Digitalisierung der Kunst von Georg Kolbe kann bei einem „Public Viewing“ noch heute am Donnerstag von 11 bis 15 Uhr beobachtet werden. „Kolbe digital“-Projektleiterin Carolin Jahn steht für Fragen zur Verfügung. Georg-Kolbe-Museum, Sensburger Allee 25. Museumseintritt 5 Euro, Anmeldung nicht erforderlich.

■ Eingestellt werden sollen die Aufnahmen von Kolbes Kunst auf der Plattform der Deutschen Digitalen Bibliothek, www.deutsche-digitale-bibliothek.de.

VON RONALD BERG

Wir leben in einer Bilderwelt. „Nein“, sagt Markus Hilbich, „wir leben in einer Bilderflut.“

Hilbich ist Fotograf und arbeitet gerade daran, die Bilderflut noch etwas zu vergrößern. Am heutigen Donnerstag kann man ihn im Georg-Kolbe-Museum noch einmal bei seiner Arbeit zugucken. Hilbich fotografiert sämtliche der 210 Plastiken des Bildhauers aus dem Besitz des Museums. Dazu hat er im ehemaligen Wohnatelier Georg Kolbes ein Lichtzelt aus semitransparentem Papier aufgebaut, das das Licht der darum herum installierten Blitzanlage streut. Die auf einem Tisch im Zelt platzierten Skulpturen sollen möglichst weich ausgeleuchtet werden. Schließlich gehe es darum, zu „dokumentieren, nicht zu interpretieren“, erläutert Hilbich. Das heißt, dass selbst in den Schattenpartien das Foto noch Zeichnung aufweisen muss.

So viel Information wie möglich ist das Ziel der Aufnahmen. Deshalb werden die Bilder auch hoch aufgelöst im RAW-Format mit 170 Megabyte auf dem angeschlossenen Laptop abgespeichert. Denn fotografiert wird natürlich digital.

Das Fotografieren ist nämlich nur der erste Schritt im Projekt „Kolbe digital“. Damit Georg Kolbes Werk im Internet-Zeitalter nicht unsichtbar bleibt, werden die Aufnahmen (in geringerer Auflösung) voraussichtlich bis Ende des Jahres ins Netz gestellt werden. Und zwar auf der Plattform der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), erklärt Carolin Jahn, die Leiterin des Projekts.

Die DDB fungiert im Prinzip als Portal für das gesamte deutsche Kulturgut, ist aber noch im Aufbau begriffen. Von Kolbe gibt es hier zwar bereits etliche Fotos seiner Skulpturen. Dabei handelt es sich allerdings um historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus verschiedenen Fotosammlungen und -archiven.

Der aktuelle Bestand an Skulpturen (und ihres Zustands) im Kolbe-Museum wäre also eine Ergänzung für die DDB. Aber nicht nur das. Denn in der DDB werden meist nur die Highlights gezeigt. Für eine intensivere Recherche gibt es Links auf die zuliefernden Museen und Archive. Da fehlt das Georg-Kolbe-Museum bislang.

Diesem Umstand wird die Digitalisierung der Kolbe-Skulpturen abhelfen können. Doch das Projekt hat auch eine Wirkung für das Kolbe-Museum selbst. Denn es geht nicht nur um informative Bilder, sondern auch um den Aufbau einer Datenbank, mit der im Museumsalltag gearbeitet werden kann. Zum einen werden die sonst im Kellerdepot des Museums versteckten Skulpturen (wenigsten bildlich) problemlos zugänglich. Zum anderen werden Metadaten zu Material, Größe, Auflage, Entstehungsjahr und so weiter zu den Kunstwerken erzeugt, die die Bildinformation erst wirklich erschließen. Ohne diese Zusatzinformationen – dies die Aufgabe von Carolin Jahn – wären die Aufnahmen so gut wie wertlos. Dabei handelt es sich wohlgemerkt noch nicht einmal um eine inhaltliche Klassifizierung nach Schlagwörtern wie etwa „Tanz“, „Nacktheit“, „Ekstase“ oder Ähnlichem. Aber selbst die formalen Kriterien, nach denen die Fotos der Kolbe-Skulpturen in der Datenbank einsortiert werden, sind weder in deutscher Sprache noch gar international standardisiert, was unter Umständen bei der Recherche zu Missverständnissen führen kann. „Die Bibliotheken sind da sehr viel weiter“, meint Carolin Jahn.

Eine Perspektive allein

Schwierig und heikel: Bilder in Wörter zu übersetzen, unter denen sie gesucht und gefunden werden können

Die Probleme beim Umgang mit Kulturgut fangen also mit dem Fotografieren erst an. Beispielsweise wären bei Skulpturen eigentlich Ansichten von verschiedenen Seiten wünschenswert. Bezahlt wird nur eine Perspektive. Und auch dies hätte sich das kleine Kolbe-Museum nie leisten können, wenn es für die Digitalisierung der Bestände von Berliner Museen, Archiven, Bibliotheken und Gedenkstätten nicht vom Kultursenat Projektgelder gäbe.

„Digis“ heißt das Förderprogramm, mit dem nun auch das Kolbe-Museum in ein Netzwerk von Institutionen eingebunden wird, das den Austausch untereinander und mit Experten ermöglicht.

Vor allem Fragen der Standardisierung sind dabei bislang offen. Bilder in Worte zu übersetzen, unter denen sie gesucht und gefunden werden, ist dabei ebenso schwierig und heikel, wie die digitalen Bilder langfristig zu bewahren. Mit seinen Schwarz-Weiß-Abzügen kann das Kolbe-Museum auch fast siebzig Jahren nach Georg Kolbes Tod noch problemlos arbeiten. Ob und wie die jetzt von Markus Hilbich produzierten Bilddateien nach gleich langer Zeit noch zu lesen sind, vermag dagegen heute niemand wirklich abzuschätzen.

Kolbes Bronzeplastiken aber scheinen jedenfalls doch noch für längere Zeit haltbar. Sie sind bei der Gelegenheit ihrer Digitalisierung auch gleich nochmals im Original zu bewundern.