Wedding behält seinen Atze

THEATER Das Kinder- und Jugendmusikhaus Atze scheint gerettet: Das Land übernimmt die Spielstätte vom Pleitebezirk Mitte. Unklar ist, wer für die Betriebskosten aufkommt

Es gibt „einen politischen Konsens, das Atze zu erhalten“

SABINE BANGERT, GRÜNE

VON NINA APIN

Das von der Schließung bedrohte Kindermusiktheater Atze ist offenbar gerettet. Wie die taz aus den laufenden Haushaltsverhandlungen erfuhr, wird das Land Berlin ab Ende 2014 die Spielstätte des Theaters, den denkmalgeschützten Max-Beckmann-Saal, übernehmen. Die Immobilie wird ins sogenannte Sondervermögen übernommen, wodurch die landeseigene Berliner Immobiliengesellschaft neue Betreiberin des Gebäudes wird. Bislang war für den Unterhalt der Bezirk Mitte zuständig, der unter Finanznot leidet und das Atze deshalb in solventere Hände abgeben wollte. Das scheint nun gelungen.

Die Zukunft des renommierten Musiktheaters, das seit 25 Jahren Programm für 4- bis 13-Jährige macht und seit fast 10 Jahren im Max-Beckmann-Saal residiert, stand noch bis vor Kurzem auf dem Spiel. Weil dem Bezirk die rund 450.000 Euro Unterhaltskosten für das Theater zu viel wurden, verlängerte er den im Mai ausgelaufenen Pachtvertrag nicht. Erst nach starken öffentlichen Protesten gewährte man eine „Gnadenfrist“ von zwei Monaten. Die Betreiber von Deutschlands größtem Kindertheater, die für ihre Inszenierungen vielfach ausgezeichnet wurden, wehrten sich mit einer Onlinepetition und sammelten mehr als 7.000 Unterschriften.

Jetzt scheinen sie Gehör gefunden zu haben. Sabine Bangert, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, berichtete aus den Haushaltsverhandlungen, es gebe „einen politischen Konsens, das Atze dauerhaft zu erhalten“. Das Theater habe eine „große Strahlkraft, auch über den Bezirk und Berlin hinaus“, daher sei es nur folgerichtig, dass das Land einspringe.

Eigentlich, so Bangert, seien die Zuwendungen aber noch längst nicht ausreichend: 690.000 Euro aus Landesmitteln bekommt das Atze seit einigen Jahren für den Spielbetrieb, die auch in den Haushalt 2014/15 wieder aufgeführt sind. Vergleichbare Häuser wie das Grips am Hansaplatz oder das Lichtenberger Theater an der Parkaue erhalten weit mehr. Dafür zahlt das Atze bislang nur 1 Euro Miete im Monat für das Haus, das erst vor wenigen Jahren aufwendig aus Lotto- und Landesmitteln saniert wurde. Die Übernahme der Immobilie sei eine gute Basis für den langfristigen Verbleib des Theaters im Wedding, allerdings seien Betriebskosten im Haushalt noch nicht eingeplant. „Doch darüber werden wir uns auch noch einig, die Verhandlungen verlaufen sehr positiv“, gab sich Bangert optimistisch.

Wesentlich verhaltener äußerte sich Sabine Weißler, Kulturstadträtin von Mitte. „Bevor man von einer Rettung sprechen kann, muss klar sein, dass die Betriebskosten für das Haus gesichert sind.“ Rund 200.000 Euro müssten dafür aufgewendet werden. Der Bezirk könne das nicht stemmen, er spare durch die Entfernung des Atze aus seinem Haushalt kein Geld. Man werde auf Mittel des Landes verzichten, dafür müsse nun das Land für den Betrieb aufkommen. Bei der Kulturverwaltung hieß es dazu nur: „Die Frage nach Betriebskosten ist nicht ganz unerheblich – und noch nicht entschieden.“ Am Freitag wollen sich Bezirk, Kultur- und Finanzverwaltung zu Verhandlungen treffen.

Mit der Entscheidung, dem Atze zu kündigen und das Land so zum Handeln zu zwingen, hatte sich die Kulturstadträtin ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt: Sie setzte Wowereit die Pistole auf die Brust – und ging dabei das Risiko ein, das Atze zu opfern. Es hätte ja sein können, dass der Kultursenator die Übernahme des Hauses ablehnt hätte, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Schließlich leiden auch andere Bezirke unter Geldmangel und würden liebend gern teure Kulturinstitutionen loswerden.

Riskantes Pokerspiel

Weißler sagt im Rückblick, sie habe nie Zweifel daran gehabt, dass man ein so wertvolles Theater wie das Atze nicht über die Klinge springen lassen werde. Für die Theaterleute war das Pokerspiel zwischen Stadt und Land allerdings weniger leicht: Monatelang schwebte man in Ungewissheit, wusste nicht, ob die laufende Spielzeit zu halten war und ob es eine nächste je geben würde.

Darüber, dass immerhin die kommenden beiden Jahre und die Spielstätte gesichert sind, mag sich Theaterpressesprecher Tom Müller-Heuser jetzt lieber auch noch nicht freuen: „Wir glauben erst an eine Rettung, wenn das Abgeordnetenhaus entschieden hat.“