Erste Anzeichen für eine politische Lösung

TUNESIEN Angeblich befürwortet die regierende islamistische Ennahda-Partei die Einsetzung eines Technokratenkabinetts. Westerwelle macht bei zweitägigem Besuch deutschen Einfluss geltend

TUNIS rtr/taz | Ein prominenter Vertreter der tunesischen Regierungspartei Ennahda hat sich nach Massenprotesten mit zehntausenden Teilnehmern für die Bildung eines Expertenkabinetts ausgesprochen. Eine „unpolitische Regierung“ solle das Land bis zu Wahlen führen, die innerhalb von sechs Monaten abgehalten werden sollten, sagte der Generalsekretär der Ennahda, Hamadi Jebali, am Mittwoch. Die Äußerungen sind offenbar ein Zugeständnis an die Opposition, weil die Ennahda bislang den Rücktritt von Ministerpräsident Ali Larayedh ablehnte. Die Entscheidung liegt bei Parteichef Rached Ghannouchi.

Zehntausende Demonstranten hatten am Dienstagabend in der Hauptstadt Tunis den Rücktritt der Regierung gefordert. Tausende Islamisten gingen zugleich auf die Straße, um ihre Unterstützung für die gemäßigten Islamisten der Ennahda zu bekunden. Anlass der neuen Großdemonstration war der nationale Frauentag in Tunesien, zu dem auch die Ennahda aufgerufen hatte. Die Demonstration der Islamisten fiel allerdings deutlich kleiner aus. Die Zahl der Regierungsgegner wurde auf mindestens 15.000 geschätzt, die der Ennahda-Anhänger auf 2.000.

Viele weltlich eingestellte Tunesier sind wütend, weil innerhalb von sechs Monaten zwei prominente Politiker aus ihrem Lager ermordet wurden. Die Regierung macht dafür radikale Islamisten verantwortlich. Befürchtungen, dass sich Tunesien zu einem zweiten Ägypten entwickeln könnte, haben die Diplomatie auf den Plan gerufen.

Inmitten der politischen Krise in Tunesien ist Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch in das nordafrikanische Land gereist. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte, Westerwelle wolle dazu ermutigen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen und Kompromisse zu finden. Tunesien ist das arabische Land, in das die meisten deutschen Fördermittel für den Umbruch zur Demokratie fließen. Für die Jahre 2012 und 2013 stellte die Bundesregierung mehr als 50 Millionen Euro für den Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen zur Verfügung.