Ein Kreuz für Nideggen

Die Bürger des Eifelortes Nideggen stimmen am Sonntag darüber ab, ob Willi Hönscheid (CDU) ihr Bürgermeister bleibt. Die eigene Partei trommelt für Abwahl. Seltener Vorgang in NRW

VON SEBASTIAN HEISER

Rund 8.000 Bürger in Nideggen werden am Sonntag zu den Wahlurnen gerufen. Mit ihrem Kreuz auf dem Stimmzettel stimmen die Einwohner des Eifelstädtchens darüber ab, ob ihr CDU-Bürgermeister Willi Hönscheid abberufen wird. Die Initiative dazu ging nicht von der Opposition aus, sondern von den eigenen Parteikollegen, die mit einer Schmutzkampagne Stimmung gegen den 55-Jährigen machen. Die lokalen CDUler werfen ihm finanzielle und persönliche Unregelmäßigkeiten vor – was der Bürgermeister brüsk zurück weist.

Abstimmungen über die Abwahl von Bürgermeistern sind selten in Nordrhein-Westfalen. Noch. Denn durch eine von der Landesregierung geplante Gesetzesänderung könnten solche Volksabstimmungen in Zukunft häufiger vorkommen (siehe unten). Das Beispiel Nideggen zeigt exemplarisch, wie solche Fälle ablaufen können.

Noch im Mai 2005 war Hönscheid von den Bürgern der Stadt im ersten Wahlgang als Bürgermeister bestätigt worden. Ende des Jahres kamen Vorwürfe innerhalb seiner Partei auf. Schließlich beschloss die CDU-Fraktion einstimmig, die Abwahl des Bürgermeisters im Stadtrat zu beantragen. Zunächst nannte die Fraktion öffentlich keine Vorwürfe, Fraktionschef Werner Löhrer sprach von einem „gestörten Vertrauensverhältnis“. Zur Sitzung des Stadtrates am 20. Dezember legte die CDU die Karten auf den Tisch und sprach von privaten Finanzproblemen des Bürgermeisters. Außerdem habe er im Alleingang und über „zwielichtige Kreditvermittler“ einen Millionenkredit für die Stadt habe aufnehmen wollen. Damit nicht genug: Auf der Liste standen auch Vorwürfe wie das unberechtigte Telefonieren mit dem Diensthandy und ein nicht bezahltes Brötchen-Abo bei einer örtlichen Bäckerei.

In der Sitzung kurz vor Weihnachten machte der Stadtrat dann fraktionsübergreifend – mit 23 zu 2 Stimmen – den Weg für die Abstimmung der Einwohner über den Bürgermeister frei. Die Opposition stimmte mit der CDU gegen das Stadtoberhaupt und freute sich über die gegenseitige Zerfleischung innerhalb der CDU.

Funktionäre der Christdemokraten eröffneten schließlich hinter vorgehaltener Hand die Schlammschlacht: Der Bürgermeister sei privat verschuldet, der Gerichtsvollzieher sei in seinem Amtszimmer ein- und ausgegangen. Unter anderem sei er die Rechnung für ein lauschiges Wochenende mit einer anderen Person in einem Hotel schuldig geblieben.

Diese öffentliche Kampagne stieß einigen Ratsvertretern sauer auf. Die Grünen etwa betonten, sich zum Privatleben des Bürgermeisters nicht zu äußern: „Seine Unfähigkeit und Unaufrichtigkeit allein sind Grund genug, sich für die Abwahl auszusprechen“, so die grüne Ratsfrau Erika Schneider.

Hönscheid wies alle Vorwürfe zurück und sprach von einer „verantwortungslosen Einstellung“ seiner Parteifreunde. Deren Ziel sei, „später einen Bürgermeister durchdrücken zu können, der in ihrem Sinne führbar und auf Parteilinie ist“, schrieb Hönscheid in einem offenen Brief an die Bürger Nideggens. Die CDU-Verantwortlichen würden „mit Halbwahrheiten und Unterstellungen“ arbeiten. Er selbst habe sich stets der Stadt verpflichtet gefühlt – also nicht einer bestimmten Partei. Hönscheids letzter Satz: „Gehen sie bitte wählen und stimmen am 19.3. 2006 mit NEIN“.