Masern geht es bestens

In NRW breiten sich die Masern aus. Inzwischen sind mehr als fünf Mal so viele Menschen erkrankt wie 2005, Behörden plädieren für einen Impfzwang. Betroffen ist vor allem das Ruhrgebiet

VON MIRIAM BUNJES

In Nordrhein-Westfalen erkranken immer mehr Menschen an Masern. Wissenschaftler im Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst (LÖGD) fürchten einen rapiden Anstieg in den nächsten Wochen. „Die Reichweite ist noch nicht abzusehen“, sagt Horst-Gerhard Baumeister vom LÖGD. „Masern sind hoch ansteckend und mindestens 30 Prozent der Bevölkerung hat keinen Impfschutz.“

Bei Redaktionsschluss gab es in sieben NRW-Kommunen gemeldete Masernfälle. Schwerpunkt der Viruserkrankungen ist die Stadt Duisburg. Hier sind inzwischen 88 vor allem jugendliche Menschen an dem Virus erkrankt, in Dortmund sollen es 14 sein. „Inzwischen wurden auch aus den umliegenden Kommunen erste Fälle gemeldet“, sagt Baumeister. Betroffen sind demnach auch die Kreise Unna und Kleve, Düsseldorf, Neuss und Mönchengladbach. Insgesamt gab es am Freitag rund 150 Erkrankte: Im gesamten Vorjahr waren es in ganz NRW nur 34.

Die Kommunen setzen vor allem auf Impfungen. „Leider können wir die Menschen nicht dazu verpflichten, sich gegen Masern zu impfen“, sagt Georg Vogt vom Duisburger Gesundheitsamt. „Dann hätten wir das ganze Problem nicht.“ Die meisten der Erkrankten waren nach Angaben der Gesundheitsämter nicht geimpft. „Jetzt hat NRW eine Masernwelle,“ sagt LÖGD-Virologe Baumeister.

Eigentlich sollen Masern 2010 auf der ganzen Welt ausgerottet sein – so das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dafür müsse 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Auf Bundes- und Landesebene wird seit Jahren für Masernimpfungen geworben. „Masern können auch tödlich sein“, betont auch Baumeister. „Sie können in seltenen Fälle eine Gehirnentzündung auslösen.“

In den betroffenen Kommunen wurden Hotlines geschaltet, die über Impfungen informieren. Zudem werden beim Robert-Koch-Institut die Viren untersucht, um der Quelle auf die Spur zu kommen. „Wenn wir den Ausbreitungsherd eingrenzen, können wir die Bevölkerung durchimpfen“, sagt Georg Vogt. „Am besten wäre eine Impfpflicht.“

Strategien, die der Herdecker Kinderarzt Stefan Schmidt-Troschke für gefährlich hält. „Es wird immer Menschen geben, die nicht geimpft sind“, sagt der ärztliche Direktor des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke. „Zumal niemand der Dritten Welt solche umfassenden Programme finanziert und wir im Zeitalter der Globalisierung leben.“ Geimpfte Mütter böten ihren Säuglingen keinen Nestschutz vor dem Virus. Da Kinder unter elf Monaten nicht mit dem Lebendimpfstoff gespritzt werden können, wären in 20 Jahren vor allem sehr junge Säuglinge von einer Viruswelle betroffen. „Vor denen machte Masern bislang halt.“ Er plädiert für individuelle Impfentscheidungen. „Jeder muss aufgeklärt werden und sich selbst entscheiden dürfen.“