Bremen gönnt sich Doppel-Hamburger

Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD): Wir haben uns bei den Investitionen überfressen. Mit akuter Nulldiät bei den Investitionen soll mittelfristig Hamburger Idealgewicht erreicht werden. Aber die Weser-CDU will den Gürtel nicht enger schnallen

von KLAUS WOLSCHNER

Darf ein Notlageland wie Bremen mehr Geld ausgeben als das reiche Hamburg? Diese Frage blockiert derzeit die Große Koalition in Bremen. Der neue SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen hat eine „Zäsur“ angekündigt. Er will die Landesausgaben für Investitionen auf das „Hamburger-Pro-Kopf-Niveau“ senken. Bevor nicht eine solide Verständigung darüber vorliegt, was in den kommenden Jahren ausgegeben werden kann, wird gar nichts mehr genehmigt. Ausgerechnet die Bremer Union findet, dass der Sparkurs des Hamburger CDU-Senats durchaus kein Vorbild sein muss – jedenfalls wenn es um Subventionen und Infrastrukturausgaben für die Wirtschaft geht.

Seit 1995 bezieht Bremen Finanzhilfen vom Bund. Die hat es sich, wie das Saarland vor dem Verfassungsgericht erklagt. Die Begründung: Haushaltsnotlage. Seither sind in Bremen die Investitionsausgaben jedoch um 90 Prozent gestiegen – von 627 Euro je Einwohner bis auf 1.185 Euro im Jahr 2004. In Hamburg kletterte der Betrag nur um 15 Prozent, auf zuletzt 635 Euro je Einwohner.

Mit dem Mega-Entertainment-Center „Space Park“ haben Bremens Sanierungspolitiker bundesweit für Verwunderung gesorgt – mit 40 Millionen Euro hat der Stadtstaat für ein paar Monate Weltraum-Vergnügen gesorgt, seit einem Jahr steht der Betonpalast leer. Die Fehleinschätzung wird den Bremer Etat noch über Jahre belasten. Während in Hamburg auf privates Risiko gerade das vierte große Musical-Theater gebaut wird, hat Bremen 27 Millionen Euro für den Umbau eines alten Schwimmbades zum Musical-Theater finanziert. Zwei Musical-Betreiber haben erfolglos versucht, den Laden in Gang zu bringen – jetzt betreibt ihn der Staat direkt (siehe Seite 27).

Was früher die Werften waren, ist inzwischen die Tourismus-Branche, kritisieren die oppositionellen Grünen. Die rot-schwarze Koalition habe nicht nur die 8,6 Milliarden Euro Sanierungshilfe fröhlich ausgegeben und für einige Milliarden Beteiligungen an staatlichen Gesellschaften verkauft, sondern auch im Vorgriff auf die kommenden Jahre „außerhalb des Haushalts“ Schulden gemacht, bemängeln die Grünen. Weil die Etats bis 2010 nicht reichten, seien die Haushalte schon bis 2014 „belastet“.

Nun steht einiges auf der Kippe, was der Bremer Society bisher lieb und teuer ist. So kann zum Beispiel das Bremer Musikfest nicht die Saison 2007/2008 vorbereiten, weil die notwendigen 700.000 Euro Zuschuss noch nicht bewilligt wurden. Selbst die Verkehrsmanagment-Zentrale werde „zu Tode gespart“, klagt Bausenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU), wenn nicht sofort neues Geld freigegeben werde. „Dutzende“ solcher Summen stünden in der Warteschleife, sagt der Sprecher von Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek (CDU). Denn seit Dezember haben die Bewilligungsausschüsse nicht mehr getagt.

Doch zur Sparposition des SPD-Bürgermeisters äußern sich die Bremer Christdemokraten bisher nicht. Angeblich soll eine Arbeitsgruppe darüber brüten. Bis zum 26. April aber muss der Bremer Senat zu einer gemeinsamen Linie gefunden haben. Dann nämlich tagt das Bundesverfassungsgericht über die Haushaltsnotlage-Klage Berlins, und Bremen will rechtzeitig vorher seine Ansprüche formulieren, damit die Karlsruher Richter diese gleich mit einbeziehen können.

Die SPD will dem Gericht darlegen, dass Bremen jedenfalls im Jahre 2009 die Investitionsquote so weit heruntergefahren hat, dass die Ausgaben von den Einnahmen gedeckt sind – zumindest, wenn man von den Zinsen für den immensen Schuldenberg absieht. „Ausgeglichener Primärhaushalt“ heißt das im Fachjargon. Derzeit klafft da jedes Jahr noch eine primäre Lücke von rund 500 Millionen Euro, hinzu kommen rund 500 Millionen Zinszahlungen – das ist ein stolzes Defizit bei einem Staatshaushalt von vier Milliarden Euro.

Klar ist: Wenn sich Bremen etwas „leistet“, was sich Hamburg nicht gönnt, dann wäre das eine klare „unterbliebene Ausgabenkürzung“. Sollte es einem Land mit den zur Schuldentilgung gewährten Mitteln nicht gelingen, die Schulden zu tilgen, heißt es in der Hamburger Stellungnahme zum Thema Haushaltsnotlage, liege „in rechtlicher Hinsicht“ nicht ein Haushaltsnotlagenland vor, „sondern ein gescheiterter Sanierungsfall“. Das betreffende Land habe seine Sanierungschance „vertan“. Der Passus bezieht sich auf das Saarland, lässt sich aber auch wörtlich auf Bremen übertragen.