Indigene mobilisieren weiter

Nach Tagen der Proteste gegen ein geplantes Freihandelsabkommen mit den USA hat sich die Lage in Ecuador zunächst entspannt. Ausgestanden ist der Konflikt noch nicht

„Wir werden die Proteste gegen das Freihandelsabkommen vertiefen“

MEXIKO-STADT taz ■ Alfredo Palacio hat den Showdown noch einmal abgewendet. Ecuadors Übergangspräsident reagierte auf die jüngste Protestwelle in dem Andenland mit einer Mischung von Drohungen und Versprechungen. Den indigenen Protestbewegungen, die sich seit Anfang der Woche mit Straßenblockaden gegen die drohende Unterzeichnung eines Freihandelsabkommen mit den USA wehren, warf er vor, das Land auf eine „perverse Art und Weise“ spalten zu wollen. Sein Verteidigungsminister Oswaldo Jarrín kündigte gewaltsame Räumungen an, andere Regierungsmitglieder winkten mit Geldern für die unruhigen Provinzen. Und siehe da – bis vorgestern Nachmittag räumten die Indígenas vier Hochlandprovinzen.

Doch geklärt ist gar nichts. „Wir machen eine Pause, und nächste Woche werden wir umso stärker zurückkommen“, sagte der Indígena-Sprecher Jorge Herrera. Sein Kollege Humberto Cholango bezeichnete den Rückzug als „Teil der internen Strategie“. Und Luis Macas, der Vorsitzende des einflussreichen indigenen Dachverbands Conaie, stellte klar: „Wir werden weiterhin mobilisieren und die Proteste für das Leben und gegen das Freihandelsabkommen vertiefen.“ Ein Dialog mit der Regierung stehe nicht auf der Tagesordnung.

Der Destabilisierungsvorwurf des Staatschefs sei „seltsam und Besorgnis erregend“, findet Macas. Die Conaie fordert, Palacio solle dem US-Konzern Occidental Petroleum (Oxy) die Konzession entziehen. Der Erdölmulti soll Steuern hinterzogen haben und hat in den Fördergebieten Amazoniens die Bevölkerung gegen sich aufgebracht. Dort verhängte der Präsident letzte Woche wieder einmal den Ausnahmezustand.

Zudem hatten die Indígenas in den letzten Wochen mit wachsender Empörung verfolgt, dass Palacio demnächst das Freihandelsabkommen mit den USA unter Dach und Fach bringen will, wie er am Mittwoch noch einmal bekräftigte. Besonders stört sie die Vertraulichkeit, die die Unterhändler bis zur Unterzeichnung vereinbart haben. „Wir wollen eine transparente Diskussion über die wirklichen Folgen dieses Abkommens“, bekräftigte Macas. Dann solle die Bevölkerung darüber abstimmen.

Daran hat wiederum die Regierung kein Interesse, denn die Folgen solcher Verträge sind hinreichend bekannt: Die heimischen Agrarmärkte würden mit hoch subventionierter US-Überschussproduktion überschwemmt, die lukrativen Dienstleistungssektoren voll und ganz für die US-Multis geöffnet. Noch mehr erleichtert würde auch der Zugriff auf die Naturressourcen des Landes.

In Ecuador selbst freut sich nur das exportorientierte Agrobusiness: Nicht zufällig ist der derzeitige Wirtschafts- und Finanzminister, Diego Borja Cornejo, ein Unternehmer, der Schnittblumen in die Vereinigten Staaten ausführt. Alfredo Castillo, sein Kollege im Innenressort, trat am Mittwoch zurück.

Ähnlich wie die Conaie hatten Freihandelskritiker in den Nachbarländern Kolumbien und Peru argumentiert – bislang ohne Erfolg. Die drei Länder hatten seit Mai 2004 gemeinsam mit Washington verhandelt, bis Ende 2005 als erste die peruanische Regierung weich wurde. Ende Februar folgte trotz mehrheitlicher Ablehnung der Bevölkerung Kolumbien.

Dass Bolivien unter seinem neuen indigenen und linken Präsidenten Evo Morales ein ähnliches einseitiges Abkommen aushandelt, scheint ausgeschlossen. In Peru verspricht Freihandelsgegner Ollanta Humala die Bremse zu ziehen, sollte er die noch bevorstehende Präsidentenwahl gewinnen. Und in Ecuador herrscht Ungewissheit über die derzeitige Stärke der ecuadorianischen Bürgergruppen, die in den letzten neun Jahren drei Staatschefs gestürzt und zwei geduldet haben.

Wie Alfredo Palacio, der seit dem Sturz seines Vorgängers Lucio Gutierrez vor elf Monaten regiert, in die Geschichtsbücher eingehen wird, könnte sich aber schon nächste Woche entscheiden. GERHARD DILGER