Grüne erfinden Justizkrise

AUSBRUCH AUS U-HAFT

Schwarz-Grün ist in Hamburg ja nun schon gut zwei Jahre vorbei. Aber in der Justizpolitik schließen die Koalitionäre von einst gerade wieder die Reihen. Und die Grünen nehmen dabei die Rolle des Scharfmachers ein. „Hat die Senatorin ihren Bereich noch im Griff?“, fragte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Farid Müller in dieser Woche. Die „Liste der Krisenherde“ sei lang.

Bei der Lagebeschreibung versteckt sich der Abgeordnete lieber: „Die Vorkommnisse der vergangenen Wochen lassen die Öffentlichkeit inzwischen von einer Justizkrise in Hamburg sprechen“, schreibt er. Welche Öffentlichkeit er meint, lässt sein Jargon ahnen: Eine „filmreife“ Flucht eines „mutmaßlichen Sex-Täters“ aus der maroden U-Haftanstalt habe es gegeben – von den Berichten der Revolverblätter in der Stadt unterscheidet sich das gerade noch durch das Wörtchen „mutmaßlich“.

Was Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) dafür kann? Der „seit Jahren bekannte marode B-Flügel der U-Haftanstalt“, so Müller, stehe nicht in ihrer Investitionsplanung. Wie bei ihrem grünen Vorgänger übrigens.

Aber das ist ja auch nur eines ihrer schlimmen Versäumnisse: In ihrer Haftanstalt Billwerder hat es Gewalt unter Häftlingen gegeben! Und auf Nachfrage der Opposition wusste die Senatorin sogar noch von weiteren Fällen zu berichten! Klar, wenn Gefangene aufeinander losgehen, hat die Justizsenatorin ihren Laden nicht im Griff.

Schiedeks schwerstes Vergehen allerdings betrifft nicht schutzlose Insassen, sondern eine sehr wohlartikulierte Gruppe: Staatsanwälte. Schiedek hat nicht erwirkt, dass die Staatsanwaltschaft von den allgemeinen Sparvorgaben des Senats ausgenommen würde – anders als die Polizei. Vor allem Letzteres hat die Staatsanwälte sehr getroffen. Sie haben in einem Brandbrief quasi eine kollektive Überlastungsanzeige aufgegeben, in der sie kurioserweise gar nicht bestreiten, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren je nach Bereich stagniert oder sogar rückläufig ist. Aber, so heißt es in dem Brief, die Ermittlungen seien viel komplizierter als früher, darum würden die Verfahren künftig länger dauern – eine Art Bummelstreik-Drohung, der die Senatorin natürlich auf der Stelle mit Zugeständnissen zu begegnen hat.

Geht es wirklich um diese „Fülle von ungelösten Problemen“ (Müller)? Oder eher darum, eine Politikerin in ein schlechtes Licht zu rücken, die zuletzt mit Initiativen zu grünen Kernthemen wie Frauenquote oder Homo-Gleichstellung überregional Furore gemacht hat? Die 39-jährige Schiedek ist auf dem besten Wege, zu einer Hoffnungsträgerin der Bundes-SPD zu werden. Es sei denn, sie bekommt ihren Laden nicht in den Griff …  JANK