Dunkle Ecken gehören zur Großstadt

NACHTS ANGST IM PARK

„Wenn die Bürger schlafen geh’n in der Zipfelmütze…“

Die Schlagzeile in seitenhohen Buchstaben saß: „Nachts habe ich im Görli Angst“, titelte die BZ diese Woche und zitierte damit die neue Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann. Ausgerechnet diese Grüne, sollte uns das sagen, die das Problem mit den Dealern im Görlitzer Park durch einen Coffeeshop lösen will, die sich weigert, in diesem Saustall mit all den Schwarzen mal so richtig durchzugreifen – ausgerechnet die hat nachts im Park Angst. Ha!

Herrmanns Dementi per Twitter („Ich habe keine Angst in meinem Bezirk. Und ich gehe nachts durch gar keinen Park in Berlin“) kam zwar prompt, aber die Botschaft war in der Welt: Der Görlitzer Park sei eine „No-go-Area“ für Anwohner geworden, die „Drogen-Zentrale“ Berlins mit „aggressiven Dealern“, um die anständige Bürger einen weiten Bogen machen müssen.

Abgesehen davon, dass das kompletter Unsinn ist: Die Dealer mögen viele nerven, aber dennoch gehen Otto-NormalbürgerInnen nach wie vor in diesen Park. Und es gibt durchaus Leute wie mich, die nachts lieber durch den Görli gehen oder Fahrrad fahren, anstatt die dunkle und leere Görlitzer Straße zu nehmen. Der Park ist auch in der Dunkelheit beleuchtet und voller Leute – Dealer, Käufer, Nachtschwärmer – und genau das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit.

Doch das Thema berührt einen anderen interessanten Punkt: Muss es in der Großstadt möglich sein, nachts angstfrei durch Parks zu laufen? Oder ist es nicht gerade ein Merkmal der Metropole, dass sie im Gegensatz zur piefigen Kleinstadt immer ein paar unkontrollierbare Ecken hat, die auch als Rückzugsräume für „dunkle Gestalten“ taugen? Wie sang weiland Gustaf Gründgens: „Wenn die Bürger schlafen geh’n in der Zipfelmütze, und zu ihrem König fleh’n, dass er sie beschütze, zieh’n wir festlich angetan hin zu den Tavernen. Schlendrian, Schlendrian, unter den Laternen!“

SUSANNE MEMARNIA