Extremisten zu schlau für Test

Der hessische Einbürgerungstest ist in der Landesregierung umstritten: FDP verlacht ihn als Test für ein Fernseh-Quiz, CDU-Minister ist für die landeskundlichen Fragen. „Wie ein Führerschein“

VON NATALIE WIESMANN

Wissensabfrage, Staatsbürgerkunde oder Deutschkurse: Die schwarz-gelbe Landesregierung kann sich nicht einigen, wie oder ob sie die Hürden für einbürgerungswillige MigrantInnen erhöhen will.

Anlass der Diskussion ist ein 100-Fragen-Katalog, den der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) vor einer Woche der Öffentlichkeit präsentiert hat. Mit anderen unionsgeführten Ländern will er sich für eine bundesweite Verschärfung der Einbürgerungsbedingungen einsetzen.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) möchte sich daran nicht beteiligen. „Wir wollen Zuwanderer nicht mit Gesinnungsfragen abschrecken.“ Eine entsprechende Landesinitiative werde es bei den kommenden Innenministerkonferenz aus NRW nicht geben, so Wolf. Er könne sich „höchstens“ einen bundesweit abgestimmten Staatsbürgerschaftskurs vorstellen.

Wolf bleibt bei seiner Haltung, die er auch in der Diskussion um den so genannten Muslim-Test aus Baden-Württemberg eingenommen hat: Gesinnungsfragen seien nicht nötig, weil die bestehende Anfrage beim Verfassungsschutz ausreiche. Man dürfe sich nicht vormachen, mit einem 100-Fragen-Katalog auch nur einen halbwegs gewieften Extremisten zu fangen, so Wolf in Richtung Hessen: „Da ist der Wissenstest schon eher geeignet, um sich auf ‚Wer wird Millionär‘ vorzubereiten.“

Tatsächlich enthält der Katalog Fragen, die viele deutsche Staatsbürger nicht beantworten können. Bei einer spontanen Befragung der taz im hessischen Rüsselsheim meinte ein Bürger, die Staatsgewalt gehe „von der Polizei aus“. Andere Hessen glaubten, Frankfurt sei ihre Landeshauptstadt.

Integrationsminister Armin Laschet, der einem Einbürgerungstest generell positiv gegenüber steht, entschuldigt die Schon-Deutschen für ihr Nichtwissen: „So ein Test ist ein bisschen wie eine Führerscheinprüfung. Hat man einmal bestanden, spielen einige der Fragen in der Praxis kaum noch eine Rolle.“ Er sehe zwar keinen dringenden Handlungsbedarf in dieser Sache, „aber es spricht nichts dagegen, im Rahmen einer Einbürgerung auch staatsbürgerliche Kenntnisse abzufragen.“ Gesinnungsfragen lehne er aber ab.

Dass Fragen wie „Welche Möglichkeiten haben Eltern, die Partnerwahl ihres Sohnes oder ihrer Tochter zu beeinflussen?“ reines Wissen prüfen, bezweifelt Tayfun Keltek, Vorsitzender der kommunalen Migrantenvertreter: „Das ist ein Gesinnungstest im Schafspelz“. Wie bei der Landtagswahl 1999, als die hessische CDU mit einer Kampagne gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft auf Stimmenfang ging, trage die Union auch vor der Kommunalwahl im März ihren Wahlkampf auf dem Rücken der Migranten aus, so Keltek. „Wir fordern die Landesregierung dazu auf, der Initiative aus Hessen eine klare Absage zu erteilen.“ Der Staat dürfe Menschen mit Einbürgerungswillen nicht mit kollektivem Misstrauen begegnen. Diese Meinung teilt auch NRW-Integrationsbeauftrager Thomas Kufen (siehe Interview).

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bezieht keine klare Position. Er habe zwar generell nichts gegen einen Einbürgerungstest, aber der NRW-Schwerpunkt sei „ein anderer“: „Wir sorgen dafür, dass die Zuwanderer Deutsch sprechen. Dann verstehen sie auch, was notwendig ist, um Teil der Gesellschaft zu sein.“