Befugnis angemaßt

Oberlandesgericht urteilt: Über den Bauwagenplatz Wendebecken hatten die BewohnerInnen das Hausrecht – nicht die Stadt. Die hätte folglich im September 2004 nicht räumen lassen dürfen

von ELKE SPANNER

Die früheren BewohnerInnen des Bauwagenplatzes Wendebecken in Barmbek können einen späten Erfolg verbuchen: Die Stadt Hamburg hätte das Grundstück im September 2004 nicht räumen lassen dürfen. Das Oberlandesgericht (OLG) hat nun der Revision einer ehemaligen Bewohnerin stattgegeben, die im Oktober 2005 vom Amtsgericht Barmbek wegen Hausfriedensbruches zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Das OLG bestätigte, dass damals nicht die Stadt das Hausrecht über den Platz hatte, sondern der Verein „Mobiles Wohnen in Barmbek“. Folglich war die Stadt zur Räumung nicht befugt. Mit dieser Grundsatzentscheidung dürften auch die Strafprozesse gegen weitere 27 Angeklagte hinfällig sein.

Das Grundstück im Wendebecken einer früheren Schiffsbauversuchsanstalt gehört der Stadt Hamburg. Sie hatte es an den Verein der BewohnerInnen verpachtet, die ihre Wagen im Herbst 1999 dort aufstellten. Am 31. August 2004 lief der Vertrag aus. Für den CDU-Senat entstand dadurch unmittelbar ein „rechtsfreier Raum“ – es galt die Ankündigung von Bürgermeister Ole von Beust, langfristig keine Bauwagenplätze mehr in der Stadt zu dulden. Die zuständige Finanzbehörde verfügte, dass das Wendebecken fortan nicht mehr für das Leben im Bauwagen genutzt werden dürfe, das Verwaltungsgericht bestätigte das. Am 8. September 2004 schickte die Stadt 1.400 Polizisten nach Barmbek, um BewohnerInnen und Wagen aus dem Wendebecken zu räumen.

In dem Revisionsverfahren ging es um die Frage, wer damals tatsächlich Hausfriedensbruch begangen hat – die BewohnerInnen des Platzes, die diesen nicht kampflos aufgeben wollten, oder aber Stadt und Polizei. Rechtsanwalt Ralf Ritter weiß, dass es innerhalb der Polizei selbst Bedenken gegen eine Räumung gab. Denn es existierte zwar der verwaltungsrechtliche Bescheid, der die weitere Nutzung des Platzes als Wagenburg verbot – nicht aber ein Räumungstitel gegen die BewohnerInnen. „Dass der Pachtvertrag abgelaufen war, bedeutete nicht, dass das Hausrecht auf die Stadt zurückgegangen war“ erklärt der Anwalt. „Das hatte weiter der Verein. Die Stadt hätte erst einen Räumungstitel erwirken müssen.“ Dem schloss sich jetzt das OLG an.

Das Gericht argumentierte, dass grundsätzlich das Hausrecht eines Mieters gegenüber dem Vermieter auch nach Beendigung des Vertrages besteht, solange er sich noch in der Wohnung befindet – oder eben auf dem Platz. Somit hätten die Bauwagenleute das Wendebecken daher nicht besetzt gehalten, als sie weiterhin dort blieben und politisch für den Erhalt von Wagenburgen kämpften.

Das OLG erkannte sogar an, dass die BewohnerInnen gerade keinen Hausfriedensbruch begehen, sondern sich rechtstreu verhalten wollten: Als die Polizei am 8. September zur Räumung anrückte, waren die bewohnbaren Wagen schon längst vom Platz gerollt. Die Beamten trafen nur noch auf die BewohnerInnen und UnterstützerInnen, die den Erhalt des Geländes als Wohngrundstück durchsetzen wollten. Außerdem hatte der Verein für den September noch sein Nutzungsentgelt gezahlt – für das Gericht auch das ein Indiz dafür, dass von einem vorsätzlichen Hausfriedensbruch keine Rede sein kann.

Das OLG hat den Fall ans Amtsgericht zurückverwiesen, das erneut darüber entscheiden muss. Das Ergebnis aber dürfte feststehen. Auch 27 weitere Angeklagte müssen sich keine großen Sorgen machen. Denn die Anklagen beruhen auf einem Strafantrag der Stadt Hamburg – und die hat dem jüngsten Urteil zufolge im Wendebecken selbst das Hausrecht gebrochen.