Türkiyem Spor schießt Eigentor

Die Chancen für einen Aufstieg der Oberliga-Amateure stehen gut. Doch aus dem Regionalliga-Traum wird nichts. Die Vereinschefs haben die Lizenz nicht beantragt

Anfang Januar glaubte Fikret Ceylan wohl, in den falschen Briefkasten gegriffen zu haben. Adressat, Absender und Inhalt waren jedoch echt. „Wir haben die Lizenzunterlagen vom DFB für die Regionalliga erhalten“, erzählte der Sportliche Leiter beim Amateurclub Türkiyemspor.

Wie konnten die Kreuzberger in den erlauchten Verteiler der Regionalliga-Anwärter geraten? Auch für Thomas Herbst, den Trainer des Oberliga-Nobodys, war der 5. Platz nach der Oberliga-Hinrunde ein Mysterium. „Wir haben eine der jüngsten Mannschaften. Unser Ziel ist der Klassenerhalt“, verkündete der Exbundesligaprofi noch, als bereits Erfolg auf Erfolg folgte.

Ausgefüllt hat der überraschte Türkiyemspor-Chef die Papiere dann doch nicht. Am Viktoriapark wollte man abwarten, bis sich nach dem Rückrundenstart eine Tendenz abzeichnet, dass sich Mühe und Kosten für die Erstellung eines Lizenzantrags zum 1. März lohnen. Denn das Spitzenquartett mit der Provinzhochburg MSV Neuruppin, Liga-Krösus 1. FC Union, Exzweitligist Babelsberg und dem Profinachwuchs von Hansa Rostock schien sportlich unangreifbar.

Jetzt nagen Zweifel an Ceylan. Von seinen Spielern hört er Klagen, dass man die vage Aufstiegschance hätte wahrnehmen sollen. „Die Jungs sind richtig traurig“, hadert der Sportchef.

Schuld ist auch der Wettergott: Türkiyem hat nach Ablauf der offiziellen Winterpause im vereisten Nordosten erst ein Punktspiel bestreiten können (1:0 gegen Preussen Berlin). Diese 90 Minuten waren zu wenig, um eine Prognose über den weiteren Saisonverlauf zu stellen.

Was die Trauer rund um das Katzbachstadion steigert, sind die Nachrichten von der Konkurrenz: Halbzeit-Meister Neuruppin hat auf die Erteilung einer Regionalliga-Lizenz verzichtet, aus Angst vor dem wirtschaftlichen Risiko. Auch Rostocks Reserve, der amtierende Meister, winkte ab – die 4. Liga reicht Nordlicht Hansa zur Talentschulung. Blieben Union und Babelsberg, die in der Kandidatenrangliste vor Türkiyem rangieren. Beide Klubs haben Lizenzanträge beim DFB eingereicht. „Aber wer weiß, ob sie die Lizenz auch bekommen“, unkt Ceylan.

Union plagen hohe Schulden aus Zeiten in höheren Gefilden. Mit Hauptgläubiger Michael Kölmel (Kinowelt AG) wurde bei der Rückzahlung der Gelder ein Aufschub bis 2010 ausgehandelt. Babelsberg hat schon ein Insolvenzverfahren hinter sich.

„Falls Union und Babelsberg keine Lizenz erhalten sollten, würden wir uns ärgern, keinen Antrag gestellt zu haben“, sagt Ceylan. Seinen Low-Budget-Club hält Türkiyems Macher reif für die 3. Liga. „Unsere Spieler würden sogar auf Geld verzichten, um in der Regionalliga spielen zu können.“ Mit einem Minietat von 500.000 Euro wäre das Ding zu schaukeln gewesen, raunt Ceylan. JÜRGEN SCHULZ