Grüne starten Parteitagsturbo

Als erste Partei verabschieden die Grünen in Rekordzeit ihr Wahlprogramm. Sie setzen auf Bildung, eine Autovignette und Kieznähe – und wettern gegen die Linkspartei

Den CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger beschimpfte die designierte Grünen-Spitzenkandidatin Franziska Eichstädt-Bohlig als „Wolf im Schafspelz“. Er rede zwar von Integration, heiße Migranten aber nicht wirklich willkommen. Die FDP sei nicht regierungsfähig, wenn sie trotz des Haushaltslochs die Steuern noch mehr senken will. Am meisten Fett bekam die Linkspartei.PDS ab. Konzeptionslos sei sie und allein auf Schmusekurs mit der SPD aus.

Die SPD selbst blieb in ihrer Rede weitgehend verschont. Renate Künast, die allerdings im Bundestag sitzt und mit Berliner Politik sonst nur wenig am Hut hat, war die Einzige, die den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) scharf anging. Eichstädt-Bohligs Message war eindeutig: eine Neuauflage von Rot-Grün – und zwar ohne die Linkspartei.

Schneller als erwartet und weitgehend harmonisch haben die Grünen als erste Partei am Samstag ihr Wahlprogramm für die Abgeordnetenhauswahl am 17. September verabschiedet. Zwar gab es fast 400 Änderungsanträge. Die Kontroversen blieben jedoch weitgehend aus. Die meisten Änderungswünsche wurden unwidersprochen übernommen. Am Ende votierten bis auf eine Gegenstimme alle rund 150 Delegierten für das 65-seitige Papier. Der Parteitag, der eigentlich am Sonntag fortgesetzt werden sollte, war nach sechs Stunden bereits zu Ende.

Thematisch setzen die Grünen ihren Schwerpunkt auf Bildung, Wirtschaft und Verkehr. Der Haushalt müsse zwar weiter konsolidiert werden, bekräftigte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Sibyll Klotz. Gleichzeitig müsse aber in die Zukunft investiert werden. So sollen künftig auch Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz erhalten. Von den erwarteten Mehreinnahmen in Höhe von rund 500 bis 700 Millionen Euro wollen die Grünen pro Jahr 100 bis 150 Millionen mehr für Bildung ausgeben. Und geht es nach dem Willen der Delegierten, soll es künftig innerhalb des Stadtbahnrings die Berlin-Vignette geben, eine Maut für alle Autofahrer. Sie sollen eine Abgabe zahlen, im Gegenzug aber Nahverkehrstickets oder Taxigutscheine bekommen.

Nur in einem Punkt kam es zu einer klitzekleinen Rebellion. Benedikt Lux, einer der Kandidaten der Grünen Jugend, der auf der Landesliste kandidieren will, sprach sich dafür aus, dass in der Präambel die Definition der Grünen-Partei als „moderne Großstadtpartei …, die Berlin für seine Zukunft braucht“, durch den Zusatz „Kiezpartei“ ergänzt wird. Ein kleines Detail, so Lux, das aber viel über das Selbstverständnis der Grünen besagt: „Weg vom Hauptstadtwahn, hin zu den Belangen der Bürger in den Kiezen.“ Trotz Eichstätts Gegenrede – die Grüne Jugend setzte sich durch. FELIX LEE