Kompromiss in Bosnien und Herzegowina

Verfassungsreform stärkt vorsichtig den Gesamtstaat, ohne bei der Präsidentschaft ethnisches Prinzip aufzugeben

SARAJEVO taz ■ Die sieben wichtigsten Parteien in Bosnien und Herzegowina haben am Samstag Verfassungsänderungen beschlossen, die Gespräche über ein EU-Assoziierungsabkommen ermöglichen sollen. Der Kompromiss beinhaltet eine vorsichtige Stärkung des Gesamtstaats Bosnien und Herzegowina. So soll es künftig nur noch einen Präsidenten geben, der Ministerpräsident wird sein Kabinett selbst ernennen können. Mit den Ressorts Landwirtschaft und Umwelt gibt es neue Ministerien auf gesamtstaatlicher Ebene.

Der große Wurf ist der von den USA vermittelte Kompromiss nicht. Viele Menschen in Bosnien und Herzegowina hoffen immer noch, dass die Spaltung in die serbische Teilrepublik und die bosniakisch-kroatische Föderation überwunden wird. Diese Teilung wurde im Friedensabkommen von Dayton 1995 festgelegt. Sie wird von jenen kritisiert, die einen Rechtsstaat ohne ethnische Teilungen wollen. Doch sprechen die Medien in Sarajevo nun von einem Schritt in die richtige Richtung.

Den Gesamtstaat hielt das Dayton-Abkommen schwach. Mit den neuen Ministerien und Parlamentsreformen wird die gesamtstaatliche Regierung gestärkt, die bisher nur Außen-, Außenhandels- und Finanzpolitik kontrollierte. Weiterhin gibt es aber kein gemeinsames Wirtschaftsministerium. Und die Reform der Präsidentschaft hält das ethnische Prinzip aufrecht. Bisher bestand sie aus drei Mitgliedern aus den drei großen Volksgruppen. Künftig wird es einen Präsidenten und zwei Stellvertreter geben, die alle 16 Monate rotieren. Immerhin werden sie vom Parlament gewählt und nicht mehr direkt, was zu nationalistischen Wahlkämpfen führte. Vor allem nationalistische Serben blockierten bisher alle Versuche, den Gesamtstaat zu stärken, weil sie auf einen Anschluss der serbischen Teilrepublik an Serbien hofften.

Die Reform, die mit Bildung einer gemeinsamen Armee und gemeinsamer Polizei einher geht, schiebt diesen Wünschen einen Riegel vor. Kompromissfähig zeigte sich die neue vom serbischen Sozialdemokraten Milorad Dodik geführte Regierung der Republika Srpska. Im Gegenzug verzichteten die bosniakischen, kroatischen und nichtnationalistischen Parteien auf die Forderung, die Republika Srpska und die Föderation aufzulösen und alle Macht dem Gesamtstaat zu geben. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Christian Schwarz-Schilling, sprach vom „ersten Schritt“ zu einer Verfassungsreform. ERICH RATHFELDER