Hamas bildet ein Kabinett der Islamisten

Keine große Koalition mit der Fatah des palästinensischen Präsidenten Abbas. Zeitungen: Hamas-Mitgründer Sahar soll neuer Außenminister werden. Nach Israels Schließung der Grenzübergänge werden im Gaza-Streifen Grundnahrungsmittel knapp

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Es ist die erste große Schlappe für den Wahlgewinner Hamas: In ihrer Regierung wird es keine politischen Feigenblätter geben. Die Radikalislamisten hatten sich eine große Koalition gewünscht, scheiterten jedoch an einer Einigung mit der Fatah des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.

Sämtliche Schlüsselpositionen der neuen Regierung werden nun an Mitglieder der Hamas-Liste „Veränderungen und Reform“ gehen. Rund ein Drittel der Ministerien soll mit so genannte Technokraten besetzt werden. Zwei bis drei Ministerien könnten an die marxistischen PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) fallen, die Bereitschaft zu einem Koalitionsbeitritt signalisiert hatte. Die komplette Ministerliste soll erst im Anschluss an die israelischen Wahlen am 28. März dem Parlament zur Verabschiedung vorgelegt werden.

Der Alleingang der Radikalen befördert all jene, die eine Isolierung der Hamas-Regierung verfolgen – allen voran Israel und die USA. Auch die EU hat eine Fortzahlung der bisherigen Aufbauhilfe für die Palästinenser an Bedingungen geknüpft. Die Hamas-Führung müsse der Gewalt abschwören, den Staat Israel und die bisher mit ihm getroffenen Abkommen anerkennen. Bis zum Schluss hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas davor gewarnt, die von der palästinensischen Führung und der PLO eingegangenen Verpflichtungen zu missachten. Abbas wollte sich am gestrigen Abend mit dem designierten Premierminister Ismail Hanijeh treffen.

Im Vorfeld des Treffens veröffentlichten drei führende palästinensischen Tageszeitungen eine Liste der Minister. 18 Namen stehen darauf, darunter eine Frau und ein Christ. Für den Posten des künftigen Außenministers ist der letzte noch lebende Mitgründer der Hamas, Dr. Mahmud Sahar, vorgesehen. Sahar gehört dem radikalen Flügel innerhalb der Hamas an. Seine Nominierung ist ein weiterer Indikator für den künftigen Kurs in die Isolierung, denn zur Diskussion für den Posten stand zunächst der parteiunabhängige Siad Abu Amr, Politologe an der Bir-Zejt-Universität, der als liberaler Reformist gilt.

Der Sonderbeauftragte des so genannten Nahostquartetts – USA, UNO, EU und Russland – James Wolfensohn warnte unterdessen vor einer humanitären Krise, sollten die internationalen Zahlungen eingestellt werden. Die Folgen des palästinensischen Wahlausgangs bekommen schon jetzt die Menschen im Gaza-Streifen schmerzlich zu spüren. Seit zwei Monaten hält Israel die Grenzen für den Warentransport nahezu ununterbrochen geschlossen. Für die palästinensischen Bauern bedeutet die geschlossene Grenze, dass sie ihre Ernte nicht vermarkten können. Umgekehrt führte der Stopp an Warenlieferungen aus Israel, darunter Grundnahrungsmittel wie Mehl und Zucker, zur Schließung zahlreicher Bäckereien. Milchprodukte sind überhaupt nicht mehr im Handel.