LESERINNENBRIEFE
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Keine Spenden für den Maserati

■ betr.: „Gewinn auf Kosten der Gesellschaft. Nicht nur der Chef der Treberhilfe profitiert von öffentlichen Geldern“, taz vom 12. 3. 10

Sebastian Heiser greift in seinem Kommentar einige wirtschaftsliberale Glaubenssätze auf, die ich derart unreflektiert nicht in der taz erwartet hätte. Kernthese ist, dass es nicht unanständig sei, ein hohes Einkommen auf Kosten der Gesellschaft zu erwirtschaften, wenn denn die Gegenleistung stimmt. Die Treberhilfe leistete ja gute Arbeit, warum also die Aufregung über die Eskapaden ihres Chefs?

Heiser vergisst das immer noch vorhandene Gerechtigkeitsempfinden. Gemeinnützigkeit erzwingt moralischere Standards: Für die Unterstützung obdachloser Jugendlicher kann man Spenden einwerben, den Maserati des Chefs wird aber niemand persönlich subventionieren wollen, egal wie erfolgreich er arbeitet. Das Problem in diesen Zeiten der Gier ist doch eher, dass selbst der Chef eines kleinen sozialen Projekts glaubt, sich wie ein Manager in der Pharma- oder Finanzbranche großzügig selbst bedienen zu können. Leistung muss sich doch lohnen!

Am Ende greift Heiser noch das Klischee auf, dass öffentlich gleich bürokratisch und teuer ist, privatwirtschaftlich dagegen effizienter und billiger. Dieses liberale Dogma kann nur jemand nachbeten, der noch nie Einblick in bürokratische Strukturen der Großindustrie hatte. HENRI SILLER

Langweilige Identitätspolitik

■ betr.: „Nordneukölln ist nicht wirklich unsere Lower East Side“, taz vom 9. 3. 10

Dass Andreas Hartmann der bräsige tip-Artikel über Nordneukölln nervt, ist durchaus nachvollziehbar. Warum er sich aber dazu herablässt, einen oberflächlichen Kneipenstreifzug durch den oberen Teil der Weserstraße zum Anlass zu nehmen, einem ganzen Stadtteil das Prädikat „provinziell“ zu verleihen, leuchtet mir nicht ein. Damit spielt er doch letztlich genau den eigentlich provinziellen Leute in die Hände, denen nämlich, die mit ihrem angeblichen Wissen über irgendwelche anderen Kieze ihre eigene langweilige Identitätspolitik betreiben.

Das Argumentationsniveau des tip-Artikels überschreitet eine so oberflächliche Betrachtung jedenfalls nicht, und sei der Text auch nur als Kommentar verfasst. Vielleicht könnte man da ja nochmal irgendwas nachlegen, von mir aus auch gerne was Produktiveres. HANNO STECHER, Berlin

Die andere Seite der Baugruppen

■ betr.: „Soziale Stadt. Kungerkiez wird teurer“, taz vom 9. 3. 10

Sicher werden sich die Mieten im Kungerkiez auch erhöhen. Das haben wir aber in Berlin schon seit Jahrzehnten. Das ist die verfehlte Berliner Wohnungspolitik und kein Verschulden der Baugruppen, die sich dort niedergelassen haben. Es sind übrigens nicht sechs, sondern drei Baugruppen, die nach wie vor von der Stadtteilinitiative „Karla Pappel“ angefeindet werden.

Ich finde es gut, wenn Karla Pappel sich um Mieterangelegenheiten kümmert und hilft, aber Vandalismus begünstigen und „Baugruppen verpisst euch“ oder „Juppies raus!“, ist ja an sich schon ein längst verjährter Begriff, da fängt es an, unangenehm zu werden. Im Zwillingshaus sind Fenster beschädigt worden. Warum bringen sie nicht mal einen Artikel, der die andere Seite der Baugruppen zeigt. Das sind keine Aktionäre oder Investoren, die sich dort niederlassen, sondern eher die linke Mittelschicht, die in dem Kiez sowieso schon wohnt. ILKA BUROSSE