HAMBURGER SZENE VON KLAUS IRLER
: Glitzernde Mädchen, glänzende Jungs

Am Biertisch sitzen zwei Mädchen hinter einem Berg aus Pinseln und Farbkästchen

Viele warten fünf bis zehn Minuten, merken, dass sich nichts bewegt und gehen wieder weg. Aber es stellen sich immer wieder neue Mädchen in die Schlange vor diesem Biertisch. Diejenigen, die ausharren, murren nicht. Sie wissen: Gute Arbeit braucht Zeit.

Am Kopfende des Biertisches sitzen zwei ältere Mädchen, vor ihnen liegen Pinsel, Fläschchen und Farbkästchen, alles durcheinander, alles ihr Werkzeug. Für zwei Euro kann man sich von den älteren Mädchen schminken lassen. Es geht nicht um schwarze Wimpern und rote Lippen, sondern um Schmink-Kunst im Stil des Glam Rock der 1970er-Jahre: wilde Sonnenstrahlen um die Augen oder geometrische Formen.

Auch die älteren Mädchen waren in den 1970er-Jahren noch lange nicht auf der Welt. Aber sie arbeiten mit Hingabe und unbeeindruckt von der Zahl derjenigen, die warten. Ihr Schminktisch ist ein Ort der Ruhe auf dem Dockville-Festival, das viel laute Musik, Staub und Gewusel bedeutet.

Der Schminktisch kann nicht der einzige auf dem Gelände sein: Sehr viele der jungen Frauen haben Festival-Schminke aufgelegt, manche der jungen Männer auch. Es gibt bunte Kriegsbemalung, die nach Wasserfarben und Kindergarten aussieht und nach goldglänzenden Sternenstaub wie aus einem Science-Fiction-Märchen. Die Mädchen bestäuben sich die Schläfen. Die Jungs malen sich einen glänzenden Bart. Dann blasen sie Seifenblasen in die Luft und tanzen zu Breitwand-Pop, der viele Keyboards braucht, um seine Wirkung zu entfalten.

Es gibt Festivals, auf denen sich die Besucher im Schlamm wälzen, wenn sich die Chance bietet. Es gibt Festivals, da wird sehr viel gesoffen und sehr wenig Wert auf Körperpflege gelegt. Das Dockville-Festival ist anders. Hier schminkt man sich.

Die Idee, Kunst und Musik zu verbinden, scheint sich auf die Fans niederzuschlagen: Mit Holz-Skulpturen, Mega-Hängematten und Lichtinstallationen haben die Veranstalter das Gelände hübsch gemacht. Die Mädchen und Jungs wollen ihren Teil dazu beitragen. Auch wenn sie dafür Schlange stehen müssen.