Staubtrocken und funktional

Nach dem Anstoß ging der Ball sofort zu Luiz Gustavo, und am Ende stand ein furioses 4:0 des VfL Wolfsburg gegen Schalke 04. Nicht seinetwegen, aber doch mit einem Luiz Gustavo, der die ihm übertragene Aufgabe mit großer Selbstverständlichkeit erfüllt hatte. Es fiel nicht auf, dass er nur eine Stunde mittrainiert und danach Spielidee und Aufgaben knapp erklärt bekommen hatte. Profis dieser Klasse, sagte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking, machten vieles „intuitiv richtig“.

Erst am Freitag war der Brasilianer von Bayern München zum VfL gewechselt, nach längerem Hin und Her und größerem Geldfluß. Der 26-Jährige kommt aber nicht als Prestige-Einkauf von oder für VW, sondern ist zielgenau gescoutet für eine Position, die in Wolfsburg seit Jahren nicht optimal besetzt ist.

Hecking und Manager Klaus Allofs sind nach dem ersten Saisonsieg – Tore: Knoche in der 55. Minute, Vieirinha 61., Naldo 67., Kutschke 90. + 1 – in ihrer Hoffnung bestärkt: dass Luiz Gustavo sich als Schlüsseltransfer herausstellen werde, als jener Spieler, der das Team tatsächlich entscheidend verbessert. Er soll der Kitt sein zwischen Offensive und Defensive, vor der Abwehr Bälle gewinnen und dann das schnelle Umschaltspiel initiieren, an dem Hecking arbeitet.

Wenn bei Gustavo etwas glänzt und glitzert, dann allenfalls seine strahlendgelben Fußballschuhe. Anders als der blumige Diego – der letzte VfL-Großeinkauf – spricht er so staubtrocken und funktional, wie er spielt: „Ich bin ein einfacher Typ“, sagte er nach dem Spiel, „aber ich weiß, was ich machen muss.“

Luiz Gustavo Dias stammt aus einer Kleinstadt nahe São Paulo, Ralf Rangnick holte ihn 2007 aus der 2. brasilianischen Liga nach Hoffenheim und entwickelte ihn zu einem herausragenden Ballgewinner und -verteiler. Beim FC Bayern war das Problem, dass er in der spektakulären Entwicklung etwas ins Hintertreffen geriet gegenüber deutschen und spanischen Nationalspielern. Gustavo selbst ist Stammspieler der Seleção, und um das auch bei der WM 2014 zu sein, ist er nach Wolfsburg gegangen.

Als er nun nach 75 Minuten ausgewechselt wurde, erhoben sich welche auf den Tribünen, um sich zu bedanken. Da war zu spüren, dass er das Symbol ist für eine wiedererwachte Hoffnung. „Projekte“ und große Ziele haben alle, aber Allofs und Hecking haben Luiz Gustavo offenbar davon überzeugt, dass die Wolfsburger in naher Zukunft um Champions-League-Plätze mitmischen können.

„Wir wollen oben stehen“, sagte er selbst, die Hände auf dem Rücken gefaltet. Bayern sei da, Dortmund sei da. „Und die müssen wissen: Wolfsburg ist auch da.“  PETER UNFRIED