Label made in Cologne

Das Kölner Independent-Label „Tomlab“ schreibt eine Erfolgsstory in der gebeutelten Musikindustrie

Es entsteht schnell die Gefahr, dass die einzelnen Künstler hinter dem vorgeblichen Labelsound verschwinden

Innerhalb von nur acht Jahren hat sich das Kölner Independent-Label „Tomlab“ zur kredibilen Adresse für innovative Popmusik zwischen Folk und Electronica entwickelt. Im Januar wählte die international renommierte Musikzeitschrift Wire das bei Tomlab erschienene Album „Lost and Safe“ des New Yorker Duos „The Books“ zur Platte des Jahres 2005. Weitere Acts des kleinen Labels stehen mit neuen Veröffentlichungen vor dem Durchbruch. Einer von ihnen ist Owen Ashworth. Er nennt sich ganz programmatisch „Casiotone For The Painfully Alone“ – ebenso klingt seine Musik. Auf dem vierten Casiotone-Album „Etiquette“ (herausgekommen am 10. März 2006) beschränkt sich der Singer/Songwriter aber nicht allein auf C64-artige Soundscapes mit Primitiv-Rhythmen aus 1980er Jahre Casio-Keyboards. Einige Gastmusiker und -sängerinnen sorgen für mehr Abwechslung und Dichte. Am intensivsten bleiben die Songs, in denen Ashworth mit tiefer, knarziger Stimme vom vergeblichen Warten zwischen Telefon und Briefkasten singt: „Don‘t they have payphones wherever you were last night?“

Die wichtigste Tomlab-Veröffentlichung in der nächsten Zeit erscheint laut Labelchef Tom Steinle im Mai: „He poos clouds“, das zweite Album von „Final Fantasy“. Wiederum handelt es sich um einen charismatischen Eigenbrödler. Der Kanadier Owen Pallett, alias „Final Fantasy“, stammt aus dem Umfeld von „The Arcade Fire“, der Indie-Lieblingsband schlechthin im letzten Jahr. Pallett begleitet die Band auf der Violine. Für sein Solo-Projekt untermalt er sein Instrument mit reduziertem Bass und Schlagzeug. Die neuen Aufnahmen wurden jedoch mit einem kompletten Streicherensemble eingespielt, womit er den leicht unfertigen, fragmentarischen Klang seines Debüts „Has A Good Home“ hinter sich lässt und zum grandiosen Kammerpop übergeht. Auch bei Pallett stehen der - bei ihm süßlich-gebrochene - Gesang und seine kryptisch-intimen Texte im Vordergrund. Im Sommer wird „Final Fantasy“ erstmals auf deutschen Festivalbühnen zu sehen sein.

Tom Steinle begrüßt, dass immer mehr seiner Künstler im Band-Gewand auftreten und sich dadurch live besser präsentieren können. „Mittlerweile ist dies ein zentrales Kriterium, wenn wir neue Künstler unter Vertrag nehmen“, sagt er. Außerdem sei die Marktfähigkeit in England und den USA entscheidend, schließlich agiere Tomlab von Anfang an international. Die Kölner Sängerin Niobe bleibe damit mittelfristig eine der wenigen deutschen KünstlerInnen der Plattenfirma.

Von einem bestimmten „Tomlab-Sound“ möchte Steinle nicht sprechen: „Es entsteht schnell die Gefahr, dass die individuellen Künstler hinter dem vorgeblichen Labelsound verschwinden.“ Die Sorge ist bisher aber unbegründet, schließlich haben sich die meisten Acts, etwa die ehemals bei Tomlab erschienenen Patrick Wolf oder Xiu Xiu, ihre eigenen Musik-Nischen geschaffen. Im Falle von Patrick Wolf wuchs das Interesse sogar so stark, dass dieser flugs zu einem Label mit größerem Werbebudget wechselte.

Dennoch läuft es gut bei Tomlab. Das Unternehmen wächst langsam und gesund, Steinle wird demnächst sogar einen fünften Mitarbeiter beschäftigen. Um zu wenig kreatives Potential braucht sich das Tomlab-Team auch nicht zu sorgen. Es laufen bereits Verhandlungen mit weiteren vielversprechenden Bands. „Nur das Echo der Musikpresse hierzulande könnte größer sein“, sagt Labelchef Steinle. In England oder Frankreich sei das Interesse an Tomlab-Acts immer noch viel ausgeprägter. MAIK BIERWIRTH